Der Hundeknochen
kamen eindeutig von den chromblitzenden und mattschwarzen Kraftgeräten, die in dem ehemaligen Zuschauerraum des Kinos verankert waren. Den Menschen, die sie bedienten, Männlein und Weiblein, floß der Schweiß aus allen Poren. Zum Platzen geschwollene Schlagadern, Sehnen kurz vorm Zerreißen, Augen, die vor Anstrengung beinahe aus den Höhlen quollen, und dazu aus verzerrten Mündern ein Stöhnen, als würde hier nachträglich ein Pornofilm vertont.
Ein magersüchtiges Mädchen lag rücklings mit gespreizten Beinen auf einer schwarzen Lederbank und pumpte die Kolben einer Kraftmaschine. Ihre Bauchdecke glich einem Waschbrett. Der Dicke neben ihr, dessen Wanst von einem breiten Gürtel gehalten wurde, stemmte im Sitzen Unterarmhanteln. Sein flehentlicher Blick bat den Folterknecht, der die Aufsicht führte, um Erbarmen. Doch der tätowierte und mit einem ärmellosen Unterhemd bekleidete Riese dachte gar nicht daran; indem er Gewichte nachlegte, zwinkerte er mir zu. Dann deutete er mit dem Kinn auf einen Kerl, der seinen Körper bereits in eine Art muskelbepacktes Warndreieck verwandelte hatte.
»Manche neigen zur Übertreibung«, erklärte mir der Herr der Muskelbude. »Und was ist mit Ihnen?«
»Ich? Mehr treiben und treiben lassen.«
Er legte die Fäuste gegeneinander, drückte, seine Bizeps schwollen, und der Panther auf seinem rechten Oberarm krümmte sich zum Sprung. »Schlendrian ist hier nicht. Nur zum Spaß kommt keiner her.«
Das glaubte ich ihm aufs Wort.
Er nahm die Fäuste auseinander, der Panther entspannte sich. »Sie haben sich jetzt hier umgesehen, können auch ruhig mal zu einem Probeabend kommen.« Er musterte mich wie ein Anzugverkäufer, der einen schwierigen Kunden vor sich hat; okay, er sah zwei Beine, zwei lange Arme, ein nicht zu schmales Kreuz, aber alles nicht im richtigen Verhältnis.
»Können wir hinkriegen«, machte er mir Mut. »Vielleicht beginnen wir mit ‘nem Powerprogramm. Was machen Sie denn so beruflich?«
»Power ist gut«, stimmte ich zu. »Beruflich bin ich viel unterwegs.« Ich schielte zur Spiegelwand am anderen Ende des Saals, wo Gundula Stoll mit traumwandlerischer Eleganz, so aus dem Stand, eine Drehung machte und klatschend ihre Ferse in einen Sandsack hieb. Ein Mann mit randloser Brille nickte ihr zu. Sollte der etwa von der Bau-Mafia sein? Unmöglich, der sah aus wie der sprichwörtliche Filialleiter einer ländlichen Sparkasse, was ihn andererseits wieder verdächtig machte; denn die Kundenbetreuer, besonders die der Abteilung Kredite für junge Leute, kehrten heutzutage, mit Ring im Ohr und flotten Sprüchen auf den Lippen, schon mal gern den Rocker raus. Die höheren Syndikatschargen hingegen…
Klatsch! Gundulas Hacke traf den Sandsack in Gürtelhöhe. Das Geräusch hatte meinen Gedankengang unterbrochen und mir in Erinnerung gerufen, daß diese Frau mich vor kurzem gerettet hatte.
»Wieso Taxifahrer?« fragte ich abwesend. Das Studioraubtier hatte mich aus den Gedanken gerissen.
»Wegen Ihrer einseitig hängenden Schulter, linken Arm immer zum Fenster raus in der Wartezeit.«
»Ach?«
»Ja, guter Mann, nicht nur hier«, er tippte gegen den Panther, der schon wieder mobil machte, »sondern auch hier.« Sein Zeigefinger wanderte zur Stirn. Diese Geste hatte ich doch schon einmal vor gar nicht langer Zeit gesehen. Richtig, auf Formentera, der marxistische Bildhauer. Es gab Gebärden, die sich wie eine Seuche verbreiteten.
»Also, erst Power, dann Fallübungen, dann Kampfsport. Abspecken können wir uns bei Ihnen sparen«, faßte der Doppelbegabte zusammen. Wahrscheinlich hatte er die Gebühren für das Programm schon ausgerechnet; für einen Satz neuer Rennreifen an seinem Turbo-Porsche würde es wohl reichen.
Ich nickte.
Gundula Stoll unterhielt sich mit einer Frau, die sich an der Schwabbelmaschine die Hüften straffen ließ. Die Frau legte den Flattergürtel ab, drehte sich um. Bisher hatte ich nur ihren Rücken gesehen. Jetzt war ich es, dem fast die Augen aus dem Kopf sprangen. Die Frau war Vera Pollex.
Ich hatte genug gesehen, ich wandte mich zum Ausgang.
»He! Aufnahmeanträge gibt’s an der Klubkasse.«
»Alles klar: Kampfsport, Fallübung, Powerprogramm.«
»Nein, umgekehrt!« brüllte mir der Panther nach.
41.
Ich lehnte mich seufzend ins Autopolster. War der Fall nicht schon kompliziert genug! Mußte auch noch Vera Pollex ihre Finger mit im Spiel haben! Was sollte ich von ihrer Verbindung zu Gundula Stoll halten?
Wenn
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