Der Hundeknochen
Eimer Wasser nach dem anderen über meinen Kopf. Meine Beine waren mit Stricken um die Porzellanschüssel gefesselt, meine Arme an das Wasserrohr. Ein Schmerz an meiner Schläfe pochte im Takt mit meinem Herzschlag. Ich hatte nicht eine trockene Textilfaser am Leib, doch das war meine geringste Sorge. Ich sog die Luft ein. Es roch nach Gas, aber nur sehr schwach. Eine Überprüfung mit der Zunge ergab, daß meine Lippen geschwollen, die Zähne aber noch an ihrem Platz waren. Halbwegs beruhigt wollte ich schon wieder wegsacken, doch ein weiterer Eimer Wasser hinderte mich daran.
Ich riß die Augen auf. Durch den Schleier aus herabstürzendem Wasser sah ich Beine, die gutgeformt, aber recht muskulös waren und in schwarzen Strümpfen steckten, darüber ein helles Minikleid und noch weiter oben ein lachender geschminkter Mund; und in meinem umnebelten Gehirn formulierte sich die Frage, seit wann die Unterwelt Transvestiten als Killer beschäftigte.
Bevor ich die Frage für mich beantworten konnte, wurde es wieder schwarz vor meinen Augen.
»Ja, was ist das denn?« tadelte eine Stimme wie aus weiter Ferne. »Habe ich etwa das Gas an Ihrem Herd zugedreht, damit Sie jetzt schlappmachen?«
Ein stechender Geruch stieg mir in die Nase, meine Schädeldecke öffnete sich und ließ einen Lichtstrahl in mein Gehirn.
»Was ist das? Bei mir läuft nichts mit Drogen«, rief ich, nein, wollte ich rufen, denn ich vergaß, was ich sagen wollte. Statt irgendwelcher Worte stieß ich ein kollerndes Lachen aus. Ein glühender Punkt tanzte über mir. Die Mittelmeersonne? Ich versuchte, den leuchtenden Punkt zu erreichen, erhob mich, sah das Meer unter mir und eine Insel in der Form eines Hundeknochens. Formentera. Zehn, zwanzig Sekunden war ich so leicht wie eine Feder, sah Möwen, flog mit ihnen um die Wette. Dann plumpste ich zu Boden. Ich schrie und schrie…
Als ich auftauchte, stand Gundula Stoll vor mir, lachend, die Hände in die Hüften gestemmt. »Na, war das eine Erfahrung mit der Chemie, oder war das keine?« fragte sie und verstaute ein kleines Fläschchen in ihrer Handtasche.
»Und was für eine!« sagte ich dumpf. »Binden Sie mich los, und ich will vergessen, daß Sie mir dieses Teufelsmittel unter die Nase gehalten haben.«
»Was Sie nicht sagen.«
»Ja, und im übrigen, wir müssen noch abrechnen.«
»Halb tot, aber schon wieder frech.« Sie stellte den Eimer in eine Ecke. »Ist das überhaupt der richtige Ort, eine Dame zu empfangen?«
Mir fiel unsere Verabredung ein. »Diesen Ort als Empfangsraum zu nutzen, ist ein Privileg der Könige und der Schnüffler.«
Sie begann, mir die Fesseln zu lösen. »Seien Sie froh, daß Sie mir gefallen, Mogge, sonst wäre ich bestimmt auf die Idee gekommen, mit Ihnen etwas anzufangen in Ihrem hilflosen Zustand.«
Was ist los mir dir, Elmar? fragte ich mich selbst. In letzter Zeit gibt dir alle naselang jemand das Gefühl, daß er mit dir machen könne, was er will. Wenn das so weitergeht, wirst du bald vor lauter Frust Schaufensterscheiben einschmeißen.
Nachdem sie mir die nassen Stricke von meinen Handgelenken geschnitten hatte, mußte sie mich stützen, sonst wäre ich umgekippt.
»Ich mache jetzt Kaffee«, sagte sie mit aller Selbstverständlichkeit. »Und danach können wir auch noch das tun, weswegen ich ja eigentlich zu Ihnen gekommen bin – das Honorar abrechnen.«
38.
Ich erwachte mit Übelkeit und gewaltigen Kopfschmerzen. Ich fühlte mich dreckig, meine Seele, so ich denn eine hatte, mußte stinken wie altes Hundefell. Hereingelegt, zusammengeschlagen, mit einer Schnüffeldroge wieder aufgeweckt – allmählich wurde der Fall zu einer persönlichen Angelegenheit.
Mogge, du hast einen Traumjob!
Mit meiner körperlichen Verfassung ging es rapide bergab, meine finanziellen Kräfte allerdings wuchsen. Auf dem Tisch lagen achteinhalbtausend Mark in bar. Und wenn ich es richtig bedachte, war das die größte Überraschung gewesen. Ich hatte nicht geträumt, nein, Gundula Stoll hatte mich für meine Nachforschungen auf Formentera tatsächlich so brav bezahlt wie eben eine Hausfrau, die ihren Ex-Mann jagen ließ.
Na gut, dachte ich, wenn sie dir schon an den Kragen wollen, dann hast du auch das Recht, einen anständigen Schnitt zu machen. Ein paar Leute würden dagegen sein, aber so war das ja immer.
Der Gasherd funktionierte noch. Den Backofen, an dem der Bleiche herumgebastelt hatte, würde ich später reparieren. Ich bräunte ein halbes Weißbrot
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