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Der Hundeknochen

Der Hundeknochen

Titel: Der Hundeknochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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sagte mit Blick auf die Schweinezunge: »Danke«, und behielt die Ruhe.
    LKA! Was aber wollten die neunmalklugen Beamten aus Düsseldorf von mir?
    Im Elektronikladen gegenüber, wo lauter junge Männer bedienten, die wie Wissenschaftsassistenten aussahen, kaufte ich einen Anrufbeantworter und fuhr geradewegs zu meinem Viertel. Entweder hatten meine Verfolger die Nase voll, oder sie verhielten sich jetzt nur geschickter. Jedenfalls bemerkte ich niemanden.
    Zu Hause legte ich die Rinderzunge in den Kühlschrank und schloß meine Neuerwerbung ans Telefonnetz an. Jahre hatte ich mich dagegen gewehrt; wieder war ein Damm gebrochen, die Technik ließ sich nicht aufhalten.
     
     
    In der Nacht, als ich im Bett lag, zogen die Ereignisse der letzten Tage an mir vorüber. Also, zwei Rabauken besuchen mich, dann das LKA. Es passierte mir nicht allzu häufig, aber jetzt fragte ich mich: Was war erstens so Besonderes an mir? Was war zweitens so Besonderes an dem Hundehalsband?
    Gar nichts. Sie hatten etwas anderes gesucht. Aber was?
    Das Wissen mußte schon die ganze Zeit in meinem Hinterkopf gelauert haben, jetzt sprang es mich an: die Fotos!
    Ich schwang mich aus dem Bett. Noch während ich in meinem Archiv nach den Bildern suchte, wußte ich, daß ich sie nicht finden würde. Ich ging zurück ins Bett und rief mir die Sache ins Gedächtnis, die mich vor einiger Zeit ins Meidericher Sanierungsgebiet am Bahndamm geführt hatte.
    Da war diese alte Fabrik. Der Eigentümer hatte mit einem Mieter, kurz vor dem Sanierungsbeschluß, noch schnell einen Nutzungsvertrag abgeschlossen. Als das Gebäude dann abgerissen werden sollte, hatte der Fabrikeigentümer von der Gemeinde, beziehungsweise dem Sanierungsträger, wie es so schön hieß, eine Entschädigung verlangt – wegen entgangener Mieteinnahmen. Das Ganze roch nach Betrug, was ich mit ein paar Fotos plus Nachforschungen für einen Bekannten beim Rechtsamt, dem die Angelegenheit dubios erschienen war, belegen sollte.
    Keine großartige Aufgabe. Zwei Tage hatte ich recherchiert und dabei herausgefunden, daß zwischen dem Eigentümer der Immobilie und dem Stadtbauamt eine interessante Verbindung bestand. Ein städtischer Mitarbeiter, der von dem bevorstehenden Abriß wußte, hatte Urlaub in einem Ferienhaus gemacht, das dem Fabrikbesitzer gehörte. Die Schlüsse mußten andere daraus ziehen. Bestechung ist in solch einem Fall vielleicht ein zu großes Wort. Klüngel, Filz, wie immer man das nennen will.
    In meinem Bericht hatte ich mich auf die Fotos gestützt, die eindeutig belegten, daß die alte Fabrik als Lagerhalle gar nicht mehr hätte genutzt werden können.
    Bild für Bild ließ ich die Aufnahmen an mir vorüberziehen: die vom Ruß eines Jahrhunderts gefärbten Ziegel – klick. Zerborstene Scheiben, die den Blick auf ein dunkles Gewirr rostiger Kessel und Rohre freigaben – klick. Armdicke Birken, die aus bröckelndem Gemäuer sprossen – klick.
    Ich hatte mich jetzt völlig in die Situation versetzt, sah vor meinem geistigen Auge, wie auf der Industriebrache ein Wildkaninchen davonhoppelte, hörte eine Sirene, die zur Mittagspause auf einer nahen Baustelle rief, und wunderte mich, wie seinerzeit, daß sich dennoch ein Baukran im Hintergrund bewegte.
    Ich hatte den Fotoapparat hochgerissen, durch das Teleobjektiv geblickt und einen Mann gesehen, der in einer Krangondel über einem mit Bauplanen verhüllten Gebäude schwebte – klick. Drei Fotos hatte ich geschossen, mehr instinktiv, als daß ich gewußt hätte, was ich je damit anfangen sollte.
    Die Fotoserie hatte ich hinterher aussortiert, weil sie mit meinem Auftrag nur insofern etwas zu tun hatte, als daß sie dokumentierte, was in der Umgebung der ehemaligen Fabrik ablief; so einiges, wie sich später herausstellte.
    Genau diese Papierabzüge fehlten nun in meinem Fotoarchiv, die Negative auch.
    »Schade, schade!« murmelte ich in der Dunkelheit so für mich hin.
    Doch dann fiel mir ein, daß ich die Filme von meinem Nachbarn hatte entwickeln lassen und daß der damals, wie Werbeleute das ja gern tun, von allen Aufnahmen mehrere Abzüge gemacht hatte.
    Und jetzt wußte ich auch, wo ich meinen dicken Besucher Dieter Prats schon einmal gesehen hatte: durch das Objektiv meiner Kamera!
    Daß er Jan Wieczorek umgebracht hatte, war mir jetzt klar. Blieb noch die Frage, wer ihn beauftragt hatte.
    An Schlaf dachte ich nun überhaupt nicht mehr.

40.
     
     
     
    Es roch nach Mensch und Maschine. Die angenehmeren Gerüche

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