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Der Hundeknochen

Der Hundeknochen

Titel: Der Hundeknochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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zum Spaß, zu seinem Spaß, versteht sich. Also, überlegen Sie sich gut, was Sie sagen, was Sie tun. Ich meine, das ist der Kram doch nicht wert. Die Schnüffelei ist für Sie schließlich auch nur ein Job, stimmt’s? Hören Sie auf damit, sonst haben Sie plötzlich mit Leuten, die Sie gar nicht kennen, ein persönliches Verhältnis. Sie wissen, was das heißt? Schön, und nun helfen Sie uns, das Halsband zu finden.«
    Der Hurensohn redete, als müsse er einem Analphabeten eine dreißigbändige Lexikonausgabe verkaufen. Dabei sprach der Schmerz in meinem Rücken schon deutlich genug.
    Ich nickte mein Einverständnis.
    Weil der Anflug von Leben in den toten Augen des Bleichen wieder erlosch, schloß ich, daß es ihm lieber gewesen wäre, wenn ich ihm einen Grund gegeben hätte, sich mit meinen Schneidezähnen zu beschäftigen.
    »Zwei tödliche Unfälle bei ein und derselben Baufirma, und dann wird der Ermittler, der dem Fall nachgeht, zusammengeschlagen – bei so vielen Zufällen wird auch die lahmste Polizeitruppe aufmerksam.«
    »I wo!« lärmte der Dicke aufgeräumt. »Das mit den Zähnen wäre doch nur der Anfang, unser privates Leckerchen, das Sahnehäubchen sozusagen.«
    Sein Partner verstand die Aufforderung. Er stakste durch den Raum zur Kochnische, wo ich ihn am Gasherd hantieren hörte.
    Der Dicke riet ihm: »Klemm ein Streichholz ein, damit die Sicherung drin bleibt!«
    Auf dem Weg zurück zu seinem Posten zündete der Bleiche eine Kerze an und stellte sie auf die Fensterbank. Eine Kerze für Berlin wie zu Zeiten des Kalten Krieges, fiel mir ein. Komisch, an was man denkt, wenn man sich eigentlich mit ganz anderen Dingen beschäftigen sollte. Aber auch Ratten, die ja durchaus kluge Tiere sind, fangen an sich zu putzen, wenn sie in auswegloser Lage sind. Und genauso kam ich mir vor, wie eine in die Enge getriebene Ratte. Ich konnte den beiden doch nicht sagen, daß sich das Halsband im Polizeilabor befand. Dann hätten sie gar keinen Grund mehr gehabt, mich heil zu lassen.
    Der Dicke glaubte, mir eine Erklärung schuldig zu sein. »Sobald die Gasmischung eine bestimmte Dichte erreicht hat, wird sie von der Kerzenflamme entzündet. Bumm! Danach können Sie von dem Sessel, auf dem Sie sitzen, den Tauben zuschauen, wie sie über dem Dach kreisen – oder auch nicht.« Er konnte das Herumlabern einfach nicht lassen.
    »Drei tödliche Unfälle, wäre das nicht ein Happen zuviel?« warf ich ein. Ich bemerkte einen raschen, ungewollten Blickwechsel zwischen den beiden.
    »Lassen Sie das unsere Sorge sein. Also, wie war das mit Ihrer Hilfe, das Halsband zu beschaffen?«
    Ich roch das ausströmende Gas, und ich roch meinen eigenen Geruch. Schweißperlen rannen mir aus den Achselhöhlen in den Hosenbund. Ich hatte solch eine erbärmliche Angst, daß ich nur noch frech werden konnte. »Warum zum Teufel steckt ihr euch nicht gegenseitig eine Rakete in den Arsch und fliegt gemeinsam zum Mond?«
    »O je, er legt keinen Wert auf seine Gesundheit«, grämte sich der Dicke und gab seinem Spießgesellen ein Zeichen.
    Der Bleiche kam, die Pistole in der flachen Hand wiegend, im Bogen näher, während der Dicke mich mit seinem Revolver in Schach hielt. Die schießen nicht, redete ich mir ein – Kugeln hinterlassen Spuren, die zu den Tätern führen –, nein, schießen tun die nicht. Aber alles andere.
    Ich umklammerte die Armlehnen.
    Als der Bleiche nach meinen Haaren griff, stieß ich mich seitwärts mit beiden Beinen ab. Der Drehsessel schwenkte herum, mein Stiefelabsatz knallte gegen seine Kniescheibe. Es gab ein Geräusch, als löste man den Deckel von einem vakuumverschlossenen Marmeladenglas. Der Bleiche jaulte, seine Pistole schepperte durch den Raum. Er preßte beide Hände auf die herausgesprungene Kniescheibe und sackte zu Boden.
    Längst war ich aus dem Sessel heraus, hatte eine Rolle gemacht und langte nun, halb unter dem Schreibtisch liegend, nach den Jonglierkeulen. Die Halterungen waren leer. Noch im selben Augenblick wußte ich, wo zumindest eine der Keulen war. Doch dieses Wissen hatte keinen Nutzen mehr für mich.
    Das Unwetter, das sich schon die ganze Zeit über meinem Kopf zusammengebraut hatte, brach los. Es war wie bei einem Gewitter, nur anders in der Reihenfolge. Zuerst krachte es, dann zuckte der Blitz, und zuletzt kam die Dunkelheit.

37.
     
     
     
    In der Welt, in die ich nach dem Blitzschlag zurückkehrte, goß es aus Kübeln. Ich saß auf der Klobrille in meinem Bad, und jemand leerte einen

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