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Der Hundertjaehrige Krieg

Der Hundertjaehrige Krieg

Titel: Der Hundertjaehrige Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Ehlers
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ein schwerer Vorwurf, denn die Treue zwischen dem Herrn und seinen Vasallen galt viel in der vom Lehnrecht bestimmten Gesellschaft, und nachdem die Regenten zur Sicherung der Kriegskosten mehrfach immer höhere Kopfsteuern erhoben hatten, brach Ende Mai 1381 in Kent und Essex unter der Leitung von Gutsverwaltern
(stewards)
, gräflichen Amtleuten
(bailiffs)
und anderen örtlichen Honoratioren ein sehr gut koordinierter, keineswegs spontaner Aufstand los, der sich rasch ausbreitete. Viele auch der einfachen Landleute konnten lesen, sie waren imstande, ihre Kritik in größeren Zusammenhängen zu sehen und zu formulieren, auch die Forderungskataloge zu verstehen, die ihr Führer Wat Tyler dem König vorlegte. Diese Manifeste beklagten den erfolglosen Krieg in Frankreich, die Angriffe auf die südenglische Küste, überhöhte Steuerforderungenund das antiquierte Arbeitsrecht, führten die Mißstände auf das Werk schlechter Berater des Königs zurück, die sich zwischen diesen und sein Volk gedrängt hätten. In Wirklichkeit waren diese Ratgeber keine Verräter an Land und Volk, sondern inkompetent und von persönlichen Interessen geleitet, aber den Aufständischen ging es um eine Reform der Monarchie und des Staates schlechthin, denn die Quelle allen Übels vermuteten sie im Adel, im hohen Klerus und in den Regentschaftsräten.
    Die Ideen des Oxforder Theologen John Wyclif, der bei Johann von Gent und der Königinmutter Johanna von Kent solange wohlgelitten blieb, wie die ganze Radikalität seines Denkens nicht klar geworden war, haben die Rebellion beflügelt. Die materielle Ausstattung des Klerus und seine Anfälligkeit für Korruption, lehrte Wyclif, hinderten die Erlösung der Christenheit; die Erscheinung des realen Corpus Christi in Gestalt von Brot und Wein bei der Eucharistiefeier sei eine fragwürdige Vorstellung; die Verehrung von Heiligen, die Beichte, Pilgerfahrten seien abzulehnen, denn entscheidend sei allein das Bewußtsein des gläubigen Individuums und seine Kenntnis der Heiligen Schrift. Deshalb ließ er von gleichgesinnten Gelehrten eine Übersetzung der Bibel ins Englische beginnen, und zum erstenmal drangen in England häretische Überzeugungen aus dem Raum der Universität massiv in die breite Öffentlichkeit.
    Alle Menschen seien gleich, verkündeten die Rebellen, und der demagogische Kleriker John Ball faßte das in die eingängige Frage
When Adam delved and Eve span, where was then the gentleman?
(«Als Adam grub und Eva spann, wo war denn da der Edelmann?») Einziger Herr dieser untereinander gleichen Menschen sei ihr König, das Kirchengut müsse enteignet und unter die Laien verteilt werden, alle Bistümer bis auf eines seien aufzulösen. Würde Richard II. selbst regieren, ginge es dem ganzen Land und seinen Bewohnern entschieden besser. Am Ende wurde der Aufstand durch Robert Knolles blutig niedergeschlagen, und seine Soldtruppen jagten die Bauern bis in ihre Dörfer, aber wie ein Leitmotiv sollte sich durch die folgenden Jahrzehnte in England und Frankreich dieser sehnsüchtige Ruf nach dem starken Monarchen, dem Retter, wiederholen.Krieg und Krise stärkten das Königtum: Nicht, weil die monarchische Propaganda besonders gut gewesen wäre, sondern weil die breite Bevölkerung den Regierungskollegien mißtraute, die sie für korrupt und von gegenseitiger Günstlingswirtschaft verdorben wähnte.
    Anders als in England wußten die Aufrührer in Frankreich nicht so genau, was sie wollten. Die Unruhen wurden noch nicht mit grundsätzlichen Forderungen nach Reichs- und Gesellschaftsreformen begründet, entzündeten sich aber ebenfalls an Steuererhebungen und verliefen kaum weniger heftig und gefährlich. Am 24. Februar 1382 plünderten in Rouen mehrere hundert Weber an der Spitze des Stadtproletariats die Häuser reicher Bürger, denen sie vorwarfen, mit dem Hof besondere Steuersätze ausgehandelt zu haben. Am 1. März wehrten sich Händler in den Pariser Markthallen gegen Steuerpächter; schnell griffen die Unruhen mit Plünderung von Bürgerhäusern und Massakern an Juden auf die ganze Stadt über und erreichten ihren Höhepunkt im Sturm auf das Rathaus. Bald forderten auch die Bürger von Amiens, Reims, Orléans und Lyon Munizipalverfassungen nach Genter Vorbild; aus der Normandie, der Champagne und der Picardie vertrieb man die königlichen Finanzbeamten. Anfang 1383 verbanden sich im Languedoc Bauern mit versprengten Söldnern gegen die Amtleute Herzog Johanns von Berry und konnten

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