Der Hurenkiller - Das Morden geht weiter (Wegners schwerste Fälle) (German Edition)
konnte?
Wegner war wie
versteinert. Jeden Tag hatte er in seinem Job, mit allen Abarten des Grauens zu
tun. Gewalt und Tod gehörten zu seinem Alltag wie Brot zu dem eines Bäckers. In
diesem Moment jedoch fühlte er sich derart hilflos und traurig, dass er nicht
einmal mehr einen klaren Gedanken fassen konnte.
Jetzt ergriff die
junge Ärztin das Wort: »Ich sehe das anders«, begann sie, und registrierte
zufrieden Wegners hoffnungsvollen Blick. »Auf dem Ultraschall ist ein Schatten
zu sehen, zwischen Magen und Dünndarm. Mein Kollege meint, dass es Krebs ist,
aber ich glaube das nicht.«
»Und was meinen Sie?«
»Ich weiß es nicht,
aber ich habe bei Hunden schon alles erlebt. Hat er irgendetwas Unverdauliches
gefressen ... einen großen Knochen vielleicht?«
»Er frisst gern meine
Socken«, platze es aus Wegner heraus, »keine Ahnung warum.«
Der ältere Tierarzt
schüttelte sich angewidert.
»Dann würde es mich
nicht wundern, wenn wir einen davon in Rex` Bauch zu finden. Falls Sie
einverstanden sind, operiere ich ihn. Schlimmer kann es ja nicht werden.«
»Und Sie meinen, dass
das Tier ... `Tschuldigung ... dass Rex die Narkose überlebt?«, erwiderte der
zweite Arzt gereizt.
»Dafür sollten Sie
beten«, warf Wegner ein und klopfte dabei der jungen Tierärztin ermunternd auf
die Schulter.
Kapitel
2
Vera Meiser flog fast
die Treppen hinunter und erreichte atemlos ihr kleines Cabrio. Durch ihre
Arbeit, in der Redaktion einer großen Hamburger Tageszeitung, war sie
nächtliche Störungen gewöhnt. Diese jedoch stellte sie vor eine ganz besondere
Herausforderung, denn es betraf sie selbst, beziehungsweise einen
liebgewordenen Kumpel und Weggefährten: Rex.
Manfred Wegner, ihr
Freund und seit letztem Monat sogar ihr Verlobter, hatte sie auf dem Weg in die
Tierklinik angerufen und sie damit grob aus ihren Träumen gerissen. Fast
unverständlich war sein nervöses Gestammel am Telefon. Einige Dinge hatte sie
seinen wirren Aussagen allerdings entnehmen können. Es ging Rex schlecht ...
sehr schlecht.
Mit großer Sorge, vor
dem, was am Ende dieser Nacht vielleicht unausweichlich feststünde, legte sie
jetzt den Gang ein und raste in Richtung Stapelfeld davon. Die letzten Monate
gingen ihr durch den Kopf, während sie krampfhaft versuchte, die trüben
Gedanken um das Schicksal des Schäferhundes zu vertreiben. Nach und nach hatten
Manfred und sie selbst sich immer mehr aneinander gewöhnt ... ihre Leben
aufeinander eingestellt. Beide genossen dieses ganz neue Gefühl, die oft stumme
Einigkeit, wenn es sich um die wesentlichen Dinge drehte. Natürlich hatte sie,
auch heute noch, oft genug mit seiner polterigen und bärbeißigen Art zu
kämpfen. Im Laufe der Zeit aber hatte sie sich damit abgefunden und wusste
selbst nur zu gut, wie sie ihn zur Weißglut bringen konnte.
Als Vera auf den
Parkplatz vor der Tierklinik fuhr, sah sie Manfred Wegner bereits von Weitem.
Zusammengesunken saß er in der offenen Heckklappe seines Kombis und rauchte. Zögernd
öffnete sie die Autotür und ging langsam auf ihn zu. Jetzt hob er träge den
Kopf, sodass sie seine rot verquollenen Augen erkennen konnte. Schweigend
setzte sie sich neben ihn und legte ihren Arm um seine breiten Schultern.
Minuten vergingen, bis sie sich traute, zum ersten Mal etwas zu sagen. »Ich
wusste gar nicht, dass du rauchst.«
»Die Letzte vor über
zehn Jahren, als Gisela sich vom Acker gemacht hat.«
»War das damals so
schlimm für dich?«, wollte Vera wissen.
»Schlimm? Ich hatte
mindestens zwanzig Bier dazu und hab in meiner Lieblingskneipe gehockt.«
Jetzt lachten sie
beide verhalten und kuschelten sich noch dichter im schmalen Heck des Kombis
zusammen. Wieder verging eine ganze Weile, bis sie allen Mut zusammennahm, um
die unausweichliche Frage zu stellen: »Wie geht es ihm?«, flüsterte sie und
spürte im gleichen Moment bereits Tränen in sich aufsteigen.
»Ich weiß es nicht«,
gab Wegner ebenso leise zurück, »aber wenn er tot wäre, dann wüsste ich es wohl
schon.«
Vera nickte und
drückte sich jetzt sogar noch ein wenig fester an seine Schulter.
Eine weitere Stunde
verging, bis beide Tierärzte endlich aus der breiten Eingangstür kamen. Der
Kittel der jungen Frau war blutüberströmt, während der des Mannes fast
unbenutzt erschien. Wegner und Vera sprangen zugleich auf und stürmten den
beiden aufgeregt entgegen. Dann folgten drei Worte, deren erlösende Wirkung
erneut Sturzbäche von Tränen auslösten: »Er kommt
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