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Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören

Titel: Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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rutschte Lydia vom Stuhl und schlug mit dem Hinterkopf auf die Sitzfläche. Ich eilte zu ihr. Sie saß auf dem Fußboden und war noch hypnotisiert, aber ihre Trance war nicht mehr tief. Sie starrte mich mit ängstlichen Augen verwirrt an, und ich sprach beruhigend auf sie ein.
     
     
     
    Ich weiß nicht, warum ich das Gefühl hatte, Charlotte anrufen zu müssen, irgendetwas beunruhigte mich. Vielleicht lag es daran, dass ich sie in der Hypnose überredet hatte, länger in ihrem verwunschenen Schloss zu bleiben, als sie sich eigentlich traute, oder dass ich ihren Stolz herausgefordert und sie dazu bewegt hatte, den Blick zu heben und zum ersten Mal den großen Hund zu betrachten, der um die Beine ihres Vaters strich. Dass sie die Sitzung ohne ein Wort der Erklärung und ohne den üblichen Dank verlassen hatte, erfüllte mich mit Sorge.
    Ich bereute es schon, als ich ihre Handynummer wählte, wartete aber trotzdem, bis das Gespräch mit ihrer Mailbox verbunden wurde, ehe ich auflegte.
    Nach einem verspäteten Mittagessen fuhr ich mit dem Fahrrad zum Karolinska-Krankenhaus zurück. Der Wind war kühl, aber die Straßen und Häuserfassaden waren in Frühlingslicht getaucht.
    Ich schüttelte meine Sorge um Charlotte ab und sagte mir, dass sie nach einem so aufwühlenden Erlebnis erst einmal Ruhe brauchte. Die Laubmassen des Nordfriedhofs wurden von Wind und Licht wogend hin und her geworfen.
    Heute würde Kennet Benjamin aus dem Kindergarten abholen, er hatte seinem Enkel versprochen, ihn auf dem Heimweg im Streifenwagen mitfahren zu lassen. Da ich Spätdienst hatte und Simone mit ein paar Freundinnen in die Oper gehen wollte, sollte Benjamin bei Kennet übernachten.
    Ich hatte der jungen angehenden Ärztin versprochen, mich noch einmal befragen zu lassen. Nun merkte ich, dass ich mich darauf freute, mit ihr zu sprechen. Ich war rundum zufrieden, denn meine Theorien waren durch Charlotte im Prinzip bestätigt worden.
    Ich verließ das Behandlungszimmer und ging den Flur hinab zu meinem Büro. Abgesehen von ein paar älteren Frauen, die auf den Fahrdienst warteten, lag das Krankenhausfoyer verwaist. Das Wetter war schön: Licht mit wehendem Staub und blendender Sonne. Ich überlegte, nach der Arbeit laufen zu gehen.
    Als ich zu meinem Büro kam, stand Maja Swartling bereits wartend vor der Tür. Ihre vollen Lippen mit dem roten Lippenstift öffneten sich zu einem breiten Lächeln, und die Spange in ihren pechschwarzen Haaren glänzte, als sie sich verneigte und mit dem für sie typischen Schalk fragte:
    »Ich hoffe, der werte Herr Doktor hat es sich vor Interview Nummer zwei nicht anders überlegt.«
    »Natürlich nicht«, sagte ich und spürte ein Kribbeln, als ich neben ihr stand und die Tür aufschloss. Unsere Augen begegneten sich, und ich nahm einen unerwarteten Ernst in ihrem Blick wahr, als sie an mir vorbeiging und das Zimmer betrat.
    Plötzlich war ich mir meines eigenen Körpers bewusst, meiner Füße, meines Munds. Sie errötete, als sie ihre Mappe, Stift und Notizblock herausholte.
    »Was ist seit unserer letzten Begegnung passiert?«, fragte sie.
    Ich bot ihr eine Tasse Kaffee an und erzählte ihr von der gelungenen Sitzung.
    »Ich glaube, wir haben Charlottes Täter gefunden«, sagte ich, »der ihr so wehgetan hat, dass sie immer wieder versucht, sich das Leben zu nehmen.«
    »Wer ist es?«
    »Ein Hund«, sagte ich ernst.
    Maja lachte nicht, denn sie wusste, dass meine gewagteste These auf der uralten Struktur der Fabel basierte: Menschen in Tiergestalt sind eine der ältesten Möglichkeiten, von etwas zu erzählen, was sonst unerlaubt oder zu beängstigend oder verführerisch wäre.
    Für meine Patienten war es ein Weg zu verarbeiten, dass jemand, der sie eigentlich schützen und lieben sollte, ihnen in der schlimmsten vorstellbaren Weise wehgetan hatte.
    Es fiel mir leicht, erschreckend leicht, mit Maja Swartling zu sprechen. Sie kannte sich gut aus, war aber keine Expertin, sie stellte intelligente Fragen und war eine sehr gute Zuhörerin.
    »Und Marek Semiovic? Wie läuft es bei ihm?«, fragte sie und lutschte an ihrem Stift.
    »Sie kennen ja seine Herkunft, er kam mitten im Bosnienkrieg als Flüchtling nach Schweden, behandelt wurden damals jedoch im Grunde nur seine körperlichen Verletzungen.«
    »Ja.«
    »Er ist für meine Forschung von großem Interesse, auch wenn ich noch nicht ganz verstehe, was in ihm vorgeht, denn in großer hypnotischer Tiefe landet er immer im selben Ziummer, in derselben

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