Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören
vor der Tür und kicherte müde, als ich sie bat, hereinzukommen.
Lydia begegnete träge meinem Blick, als ich feststellen musste, dass Charlotte nicht zurückgekommen war.
»Also schön«, sagte ich und legte meine Hände zusammen. »Dann wollen wir mal.«
Ich sah ihre Gesichter vor mir. Sie waren bereit. Die Sitzungen liefen in der Regel nach der Pause besser, als sehnten sich alle in die Tiefe zurück, als lüden uns das Licht und die Geräusche in der Tiefe wieder flüsternd zu sich ein.
Die Induktion wirkte sofort – Lydia war in nur zehn Minuten tief hypnotisiert.
Wir sanken, und ich spürte laues Wasser über meinen Kopf strömen. Der große graue Fels war von Korallen überwuchert. In den Strömungen wehend bewegten sich die Tentakel ihrer Polypenkörper. Ich sah jedes Detail, jede selbstleuchtende, vibrierende Farbe.
Sie leckte sich die trockenen Lippen und legte den Kopf in den Nacken. Ihre Augen waren sanft geschlossen, aber um den Mund lag ein gereizter Zug und auf ihre Stirn trat eine Falte.
»Ich nehme das Messer.«
Ihre Stimme war trocken und heiser.
»Was ist das für ein Messer?«, fragte ich.
»Das gezahnte Messer auf der Spüle«, sagte sie in einem fragenden Ton und schwieg anschließend eine Weile mit halb offenem Mund.
»Ein Brotmesser?«
»Ja«, sagte sie lächelnd.
»Sprich weiter.«
»Ich schneide die Eispackung in zwei Teile. Nehme die eine Hälfte und einen Löffel mit zu der Couch vor dem Fernseher. Oprah Winfrey wendet sich an Doktor Phil. Er sitzt im Publikum und zeigt allen seinen Zeigefinger. Er hat einen roten Faden um seinen Finger gebunden und will gerade erzählen warum, als Kasper schreit. Ich weiß, dass er überhaupt nichts will, er versucht nur, mir zu trotzen. Er schreit, weil er weiß, dass mich das traurig macht, weil ich in meinem Haus kein schlechtes Benehmen dulde.«
»Was schreit er?«
»Er weiß, dass ich hören will, was Doktor Phil sagt, er weißt, dass ich mich auf Oprah freue … Deshalb schreit er.«
»Was schreit er in diesem Moment?«
»Es sind zwei geschlossene Türen zwischen uns«, sagte sie. »Aber ich höre, dass er mir schlimme Worte zuruft. Er schreit Fotze, Fotze, Fotze …«
Lydias Wangen waren gerötet, und auf ihrer Stirn perlte Schweiß.
»Was tust du?«, fragte ich.
Sie leckte sich wieder die Lippen, ihre Atemzüge gingen schwer.
»Ich stelle den Fernseher lauter«, sagte sie gedämpft. »Der Ton hämmert, der Applaus rauscht, aber die Sendung gefällt mir nicht mehr, sie ist nicht mehr gut. Das Programm macht mir keinen Spaß mehr. Er hat mir diesen Moment verdorben. Es ist, wie es ist, aber ich sollte es ihm erklären.«
Sie lächelte mit zusammengepressten Lippen, ihr Gesicht war fast weiß, und in metallischen Rillen schimmerte Wasser auf ihrer Stirn.
»Tust du das?«, fragte ich.
»Was?«
»Was tust du, Lydia?«
»Ich … ich gehe durch die Waschküche und in den Partykeller hinunter. Aus Kaspers Zimmer kommen Piepser und seltsam surrende Geräusche, es … ich begreife nicht, was er sich dabei gedacht hat, ich will doch nur wieder hochgehen und fernsehen, aber ich gehe weiter zu der Tür, öffne sie und gehe hinein in …«
Sie verstummte. Durch ihre halb geschlossenen Lippen wurde Wasser gepresst.
»Du gehst hinein«, wiederholte ich. »Wohin gehst du, Lydia?«
Ihre Lippen bewegten sich schwach. Luftblasen funkelten und stiegen auf.
»Was siehst du?«, fragte ich behutsam.
»Als ich hereinkomme, stellt Kasper sich schlafend«, sagt sie langsam. »Er hat das Foto von Großmutter kaputtgemacht. Als er sich das Bild leihen durfte, hatte er versprochen, vorsichtig damit umzugehen, es ist das einzige Foto, das ich von ihr habe. Jetzt hat er es kaputtgemacht und liegt einfach da und stellt sich schlafend. Ich denke, dass ich am Sonntag ein ernstes Wort mit Kasper reden werde, das ist der Tag, an dem wir besprechen, wie wir miteinander umgegangen sind, ich frage mich, welchen Rat Doktor Phil mir wohl gegeben hätte. Ich merke, dass ich immer noch den Löffel in der Hand halte, und als ich in ihn hineinschaue, sehe ich nicht mich, sondern einen Teddybären, der sich im Metall spiegelt, er muss an der Decke hängen …«
Lydia verzog auf einmal schmerzlich den Mund. Sie versuchte zu lachen, aber es drangen nur seltsame Laute heraus. Sie versuchte es noch einmal, aber es klang einfach nicht wie ein Lachen.
»Was tust du?«, fragte ich.
»Ich gucke«, antwortete sie und blickte nach oben.
Plötzlich
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