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Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören

Titel: Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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Trockendocks. Er winkt ihr zu und führt einen Jungen zu dem alten Tauchverein.
    Simone ist triefend nass, Hände und Füße sind steif gefroren. Die beiden warten am Auto auf sie. Kennet sieht sie mit einem seltsamen, abwesenden Gesichtsausdruck an. Der Junge steht mit hängendem Kopf vor ihm.
    »Wo ist Benjamin?«, schreit Susanne, noch ehe sie bei ihnen ist.
    Der Junge bleibt stumm, und Simone packt ihn an den Schultern und dreht ihn zu sich um. Als sie sein Gesicht sieht, schreit sie vor Schreck auf.
    Die Nase des Jungen ist abgeschnitten worden.
    Es sieht aus, als hätte jemand versucht, die Wunde zu nähen, aber nur provisorisch und ohne medizinische Kenntnisse. Der Junge ist völlig apathisch. Der Wind pfeift, und sie steigen ins Auto, wo Simone den Motor anlässt, um den Wagen heizen zu können. Die Scheiben beschlagen schnell. Sie findet eine halbe Tafel Schokolade, die sie dem Jungen anbietet. Es herrscht Stille im Auto.
    »Wo ist Benjamin?«, fragt Kennet.
    Der Junge schaut auf seinen Schoß hinab. Er kaut Schokolade und schluckt hart.
    »Du wirst uns jetzt alles erzählen – hörst du? Ihr habt andere Kinder geschlagen, ihnen Geld abgenommen.«
    »Ich mache da nicht mehr mit, ich habe aufgehört«, flüstert der Junge.
    »Warum habt ihr andere Kinder misshandelt?«, fragt Kennet.
    »Das hat sich einfach so ergeben, als wir …«
    »Einfach so ergeben? Wo sind die anderen?«
    »Keine Ahnung, woher soll ich das wissen, vielleicht haben sie jetzt eine neue Gang«, antwortet der Junge. »Ich habe jedenfalls mitbekommen, dass Jerker eine hat.«
    »Bist du Wailord?«
    Der Mund des Jungen zittert.
    »Ich habe damit aufgehört«, sagt er schwach. »Ich schwöre, dass ich aufgehört habe.
    »Wo ist Benjamin?«, fragt Simone gellend.
    »Ich weiß es nicht«, antwortet der Junge schnell. »Ich werde ihm nie mehr wehtun, ich schwöre es.«
    »Hör mir zu«, fährt Simone fort. »Ich bin seine Mutter, ich muss wissen, wo er ist.«
    Aber der Junge wiegt sich nur vor und zurück, weint herzzerreißend und sagt immer wieder:
    »Ich schwöre, schwöre es … ich schwöre … schwöre, schwöre …«
    Kennet legt eine Hand auf Simones Arm.
    »Wir müssen ihn ins Krankenhaus bringen«, sagt er tonlos. »Der Junge braucht Hilfe.«

42.
     
    Donnerstagabend, der siebzehnte Dezember
     
     
     
     
     
    An der Kreuzung Odengatan und Sveavägen setzte Kennet Simone ab und fuhr anschließend die kurze Strecke zum Astrid-Lindgren-Kinderkrankenhaus.
    Ein Arzt untersuchte den Jungen umgehend und entschied, dass er zur Beobachtung stationär aufgenommen werden musste. Er war dehydriert und unterernährt, hatte eitrige Wunden am Körper und einige leichte Erfrierungen an Zehen und Fingern. Der Junge, der sich Wailord genannt hatte, hieß eigentlich Birk Jansson und lebte im Vorort Husby bei Pflegeeltern. Das Jugendamt wurde eingeschaltet und der Vormund des Jungen unterrichtet. Als Kennet gehen wollte, brach Birk in Tränen aus und sagte, dass er nicht allein sein wollte.
    »Bleiben Sie bitte«, flüsterte er und hielt sich die Hand vor die Nasenspitze.
    Kennet spürte seinen Puls vor Überanstrengung hämmern. Nach seinem Gewaltmarsch hatte er immer noch Nasenbluten, blieb aber trotzdem in der Tür stehen.
    »Ich warte mit dir, Birk, aber nur unter einer Bedingung«, sagte er.
    Er setzte sich neben dem Jungen auf einen grünen Stuhl.
    »Du musst mir alles über Benjamin und sein Verschwinden erzählen.«
    Während es Kennet immer schwindliger wurde, versuchte er in den zwei Stunden bis zum Eintreffen der Sozialarbeiterin vom Jugendamt, den Jungen zum Sprechen zu bewegen, fand im Grunde aber nur heraus, dass irgendjemand Birk einen solchen Schrecken eingejagt hatte, dass er aufhörte, Benjamin zu schikanieren. Von Benjamins Verschwinden schien er nicht einmal gehört zu haben.
    Als Kennet ging, hörte er die Sozialarbeiterin und den Psychologen darüber sprechen, den Jungen in einem Jugendheim auf dem Land unterzubringen.
     
    Im Auto ruft Kennet Simone an und fragt sie, ob sie gut nach Hause gekommen ist. Sie antwortet, dass sie ein wenig geschlafen hat und überlegt, sich einen großen Grappa zu gönnen.
    »Ich fahre jetzt zu Aida«, sagt Kennet.
    »Frag sie nach dem Bild von dem Gras und dem Zaun – da stimmt etwas nicht.«
    Kennet parkt den Wagen an der gleichen Stelle wie beim letzten Mal, in der Nähe der Würstchenbude. Es ist kalt, und einzelne Schneeflocken fallen auf den Fahrersitz, als er vor Aidas und

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