Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören
Shulman gerne bitten aufzuhören, es anders zu machen, sie würde gerne im Schlafzimmer noch einmal von vorn anfangen, ganz gegenwärtig, richtig. Er seufzt tief und ejakuliert in ihr, zieht sich zurück und geht ins Badezimmer. Sie zieht den Slip hoch und bleibt liegen. Eine eigentümliche Schwäche droht, sie zu übermannen, ihre Gedanken, ihre Hoffnung, ihre Freude auszulöschen. Dinge, die nichts mit Benjamin zu tun haben, interessieren sie nicht mehr.
Erst als Shulman mit einem Handtuch um die Hüften aus der Dusche kommt, richtet sie sich auf. Sie spürt, wie wund ihre Knie sind, versucht zu lächeln, als sie an ihm vorbeigeht, und schließt die Badezimmertür hinter sich ab. Als sie sich in die Dusche stellt, brennt ihre Scheide. Während das heiße Wasser durch ihre Haare und über Nacken, Schultern und Rücken fließt, überkommt sie ein schreckliches Gefühl der Einsamkeit. Sie seift sich ein und wäscht sich gründlich, bleibt lange unter der Dusche stehen und wendet das Gesicht dem sanften Wasserstrom zu.
Durch das Rauschen in ihren Ohren dringen dumpfe Laute, und sie begreift, dass Shulman an die Badezimmertür klopft.
»Simone«, ruft Shulman. »Dein Telefon klingelt.«
»Was ist?«
»Dein Telefon.«
»Geh ran«, sagt sie und dreht das Wasser ab.
»Jetzt klingelt es auch noch an der Tür«, ruft er.
»Ich komme.«
Sie nimmt sich ein neues Badehandtuch aus dem Schrank und trocknet sich ab. Das Bad ist von warmem Dampf erfüllt. Ihre Unterwäsche liegt auf dem feuchten Fußboden. Der Spiegel ist beschlagen und sie sieht sich schemenhaft als graue Spukgestalt ohne Gesichtszüge, als eine Tonfigur. Durch das Lüftungsgitter unter der Decke dringt ein eigentümliches Rauschen zu ihr herein. Simone weiß nicht, warum sich all ihre Sinne schärfen, als wäre sie in großer Gefahr, warum sie vorsichtig und vollkommen lautlos die Badezimmertür aufschließt und hinauslugt. Aus der Wohnung schlägt ihr eine beängstigende Stille entgegen. Irgendetwas stimmt nicht. Sie fragt sich, ob Shulman gegangen ist, wagt aber nicht, nach ihm zu rufen.
Plötzlich hört sie Menschen, die sich im Flüsterton unterhalten. Vielleicht ist er in der Küche, denkt sie. Aber mit wem tuschelt er? Sie versucht, ihre Furcht abzuschütteln, aber es will ihr einfach nicht gelingen. Der Fußboden knarrt, und durch den Türspalt sieht Simone jemanden hastig am Badezimmer vorbeigehen. Es ist nicht Shulman, sondern ein wesentlich kleinerer Mensch, eine Frau in einem weiten Trainingsanzug. Die Frau kehrt aus dem Eingangflur zurück, und Simone geht nicht rechtzeitig in Deckung. Ihre Blicke begegnen sich in der schmalen Türöffnung, und die Frau erstarrt. Simone sieht, dass sich ihre Augen ängstlich weiten. Die Frau schüttelt schnell den Kopf und geht durch den Flur zur Küche. Ihre Turnschuhe hinterlassen Blutspuren auf dem Fußboden. Simone wird von panischer Angst erfasst, ihr Herz schlägt schnell, und sie erkennt, dass sie die Wohnung verlassen muss, sofort wegmuss. Sie öffnet die Badezimmertür und schleicht in Richtung Wohnungstür durch den Flur. Sie versucht, sich lautlos zu bewegen, hört jedoch ihre eigenen Atemzüge und den Fußboden, der unter ihrem Gewicht knarrt.
Jemand redet mit sich selbst und durchwühlt klirrend das Besteck in den Küchenschubladen.
Im Zwielicht erblickt Simone etwas Großes und Buckliges auf dem Fußboden des Eingangsflurs. Sie braucht einige Sekunden, um zu begreifen, was sie vor Augen hat. Shulman liegt vor der Wohnungstür auf dem Rücken. Aus einer Wunde in seinem Hals pumpt Blut. Müde Kaskaden pulsieren heraus. Die dunkelrote Blutlache bedeckt fast den gesamten Fußboden. Shulman starrt mit zitternden Lidern zur Decke. Sein Mund steht offen und ist schlaff. Neben seiner Hand, zwischen den Schuhen auf der Türmatte, liegt ihr Handy. Sie denkt, dass sie es aufheben, aus der Wohnung rennen und die Polizei und einen Krankenwagen rufen muss. Es verblüfft sie, dass sie bei Shulmans Anblick nicht den Drang verspürt hat zu schreien. Vielleicht sollte sie etwas sagen, denkt sie und hört auf einmal Schritte im Flur. Die junge Frau kehrt zurück, zittert am ganzen Leib, beißt sich unablässig auf die Lippe und versucht, die Fassung zu bewahren.
»Wir kommen nicht raus, die Tür ist abgeschlossen«, flüstert die Frau.
»Wer hat das …«
»Mein jüngerer Bruder«, unterbricht sie Simone.
»Aber warum …«
»Er denkt, dass er Erik getötet hat, er hat nicht genau hingesehen, er
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