Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören
glaubt …«
Eine Küchenschublade fällt mit einem lauten Knall zu Boden.
»Evelyn? Was treibst du denn da?«, ruft Josef Ek. »Wo bleibst du?«
»Versteck dich«, flüstert die Frau.
»Wo sind die Schlüssel?«, fragt Simone.
»Er hat sie in der Küche«, antwortet die Frau und eilt in die Küche zurück.
Simone schleicht sich durch den langen Flur in Benjamins Zimmer, atmet keuchend und versucht, den Mund zu schließen, bekommt so aber nicht genug Luft. Der Fußboden knarrt unter ihr, aber Josef Ek spricht in der Küche pausenlos und mit lauter Stimme und scheint sie nicht zu bemerken. Sie geht zu Benjamins Computer und schaltet ihn ein, hört den Rechner rattern und den Ventilator rauschen, und als sie sich ins Badezimmer schiebt, ertönt im selben Moment der Willkommensjingle des Betriebssystems.
Mit pochendem Herzen wartet sie einige Sekunden, verlässt das Badezimmer, schaut sich in dem verwaisten Flur um und eilt in die Küche, in der niemand mehr ist. Der Fußboden ist von Besteck und blutigen Schuhabdrücken bedeckt.
Sie hört, dass sich die Geschwister in Benjamins Zimmer aufhalten. Josef flucht vor sich hin und wirft Bücher auf den Boden.
»Schau doch mal unter dem Bett nach«, ruft Evelyn mit ängstlicher Stimme.
Es knallt, der Stapel Mangas wird herausgerissen, und Josef faucht, dass da keiner ist.
»Denk mit«, sagt er.
»Im Kleiderschrank«, schlägt sie blitzschnell vor.
»Was zum Teufel ist das?«, schreit Josef.
Der Türschlüssel liegt auf dem Eichentisch. Simone nimmt ihn an sich und läuft, so leise sie kann, in den Eingangsflur zurück. Ihre Hand zittert heftig.
»Josef«, ruft Evelyn verzweifelt. »Sieh mal im Schlafzimmer nach! Ich glaube, er ist im Schlafzimmer!«
Simone dreht den Schlüssel und hört das Schloss klicken, als Josef Ek in den Flur gerannt kommt und sie anstarrt. Aus seiner Lunge dringt ein röchelndes Knurren. Simone nestelt an dem Drehknopf, rutscht ab, schafft es anschließend jedoch, ihn zu drehen. Josef hat ein Brotmesser in der Hand. Er zögert kurz und geht dann schnell auf sie zu. Simones Hände zittern so stark, dass sie die Klinke nicht hinunterdrücken kann. Die junge Frau kommt in den Flur gelaufen, wirft sich um Josefs Beine, versucht, ihn festzuhalten, und schreit, dass er warten soll. Ohne hinzusehen, macht er mit dem Messer eine schneidende Bewegung über Evelyns Kopf. Sie wimmert. Er geht weiter, und Evelyn kann seine Beine nicht mehr festhalten. Simone gelingt es, die Tür zu öffnen, und sie stolpert ins Treppenhaus. Das Badehandtuch rutscht herab. Josef kommt näher, hält dann jedoch inne und betrachtet ihren nackten Körper. Simone sieht, dass Evelyn hinter ihm mit einer schnellen Handbewegung durch Shulmans Blut auf dem Fußboden wischt. Sie beschmiert Gesicht und Hals damit und kauert sich zusammen.
»Josef, ich blute«, schreit sie. »Liebling …«
Sie hustet, verstummt und liegt auf dem Rücken, als wäre sie tot. Josef hat sich zu ihr umgedreht und sieht ihren blutbesudelten Körper.
»Evelyn?«, sagt er mit ängstlich besorgter Stimme.
Er kehrt in den Flur zurück, und als er sich über seine Schwester beugt, sieht Simone plötzlich das Messer in Evelyns Hand, das wie aus einer primitiven Falle hochschießt. Die Klinge dringt mit viel Kraft zwischen Josefs Rippen ein, und sein Körper wird ganz still. Er legt den Kopf schief, sinkt zur Seite und bleibt regungslos liegen.
44.
Freitag, früher Morgen, der achtzehnte Dezember
Kennet geht im Krankenhaus von Danderyd an zwei Polizistinnen vorbei, die sich angeregt im Flüsterton unterhalten. Im Zimmer hinter den beiden sieht er ein junges Mädchen auf einem Stuhl sitzen und ins Leere starren. Ihr Gesicht ist blutverschmiert, in ihren Haaren scheint überall geronnenes Blut zu kleben. Schwarze Flecken liegen auf ihrem weißen Hals und dem Brustkorb. Ihre Füße sind leicht nach innen gewinkelt, sie wirkt geistesabwesend und kindlich. Kennet nimmt an, dass sie Evelyn Ek ist, die Schwester des mehrfachen Mörders Josef Ek. Als hätte sie gehört, dass er ihren Namen in Gedanken ausspricht, blickt sie auf und sieht ihn unverwandt an. In ihren Augen spiegelt sich eine so seltsame Mischung aus Schmerz und Schock, Reue und Triumph, dass es fast schon obszön aussieht. Kennet wendet sich instinktiv und mit dem Gefühl ab, etwas Privates, Tabubelegtes gesehen zu haben. Ihm läuft ein Schauer über den Rücken, und er überlegt, dass er froh sein kann, Rentner
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