Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören
versucht, sie zu berühren, stößt sie ihn von sich.
»Ich rufe meinen Vater an«, sagt sie mit zittriger Stimme. »Er wird mir helfen, Benjamin zu finden.«
»Ich bin strikt dagegen, dass du ihn anrufst«, sagt Erik.
»Ich wusste, dass du das sagen würdest, aber deine Gefühle sind mir ehrlich gesagt scheißegal, ich will nur Benjamin zurückhaben.«
»Ich werde ihn finden, Sixan.«
»Warum glaube ich dir nicht?«
»Die Polizei tut, was sie kann, und dein Vater ist …«
»Die Polizei? Die Polizei hat diesen Irren doch abhauen lassen«, sagt sie aufgebracht. »War es nicht so? Sie werden gar nichts tun, um Benjamin zu finden.«
»Josef ist ein Serienkiller, die Polizei will ihn finden, und das wird ihr auch gelingen, aber ich bin nicht blöd, ich weiß, dass Benjamin für sie nicht so wichtig ist, er interessiert sie nicht, nicht wirklich, nicht wie uns, nicht wie …«
»Das sage ich doch«, unterbricht sie ihn gereizt.
»Joona Linna hat mir erklärt, dass …«
»Das ist doch alles seine Schuld, er hat doch gewollt, dass du den Jungen hypnotisierst.«
Erik schüttelt den Kopf und schluckt hart.
»Das war meine eigene Entscheidung.«
»Mein Vater würde alle Hebel in Bewegung setzen«, sagt sie leise.
»Ich möchte, dass du und ich jedes noch so kleine Detail gemeinsam durchgehen, wir müssen nachdenken, wir brauchen Ruhe, um …«
»Was zum Teufel können wir denn tun?«, schreit sie.
Es wird still. Erik hört, dass jemand im Nebenzimmer den Fernseher einschaltet.
Simone liegt mit abgewandtem Gesicht im Bett.
»Wir müssen nachdenken«, sagt Erik behutsam. »Ich bin mir überhaupt nicht sicher, dass es wirklich Josef Ek war, der …«
»Du bist doch einfach nur bescheuert«, unterbricht sie ihn.
Simone versucht, aus dem Bett aufzustehen, schafft es aber nicht.
»Darf ich bitte nur noch eins sagen?«
»Ich werde mir eine Pistole besorgen, und dann werde ich ihn finden«, sagt sie.
»Die Wohnungstür stand zwei Nächte in Folge offen, aber …«
»Das habe ich ja gleich gesagt«, unterbricht sie ihn. »Ich habe dir doch gesagt, dass jemand in der Wohnung war, aber du hast mir natürlich nicht geglaubt, das tust du ja nie, wenn du mir geglaubt hättest, dann würde …«
»Jetzt hör mir zu«, unterbricht Erik sie. »In der ersten Nacht lag Josef Ek in seinem Bett im Krankenhaus, also kann er nicht in unserer Wohnung gewesen sein und den Kühlschrank geöffnet haben.«
Sie hört ihm nicht zu, versucht nur aufzustehen. Sie stöhnt wütend und schafft es, zu dem kleinen Schrank zu gehen, in dem Erik ein paar Kleider für sie verstaut hat. Erik hilft ihr nicht, sieht bloß zu, als sie sich zitternd anzieht, und hört sie leise vor sich hin fluchen.
24.
Samstagabend, der zwölfte Dezember
Es ist schon Abend, als Erik endlich dafür sorgen kann, dass Simone aus dem Krankenhaus entlassen wird. In ihrer Wohnung herrscht ein heilloses Chaos, Bettlaken sind in den Flur gezogen worden, die Lampen brennen, im Badezimmer läuft Wasser, Schuhe liegen kunterbunt durcheinander auf dem Teppich im Flur, das Telefon ist auf dem Parkettboden gelandet, und die Batterien liegen daneben.
Erik und Simone schauen sich mit dem beklemmenden, schrecklichen Gefühl um, dass in ihrem Zuhause etwas für immer verloren gegangen ist. Die Gegenstände sind fremd, bedeutungslos geworden.
Simone hebt einen Stuhl auf, setzt sich und zieht ihre Stiefel aus. Erik dreht den Wasserhahn im Badezimmer zu und geht anschließend in Benjamins Zimmer. Er betrachtet die rot lackierte Schreibtischplatte. Die Schulbücher, die neben dem Computer liegen, sind in graues Schutzpapier eingeschlagen. An der Pinnwand hängt ein Foto von ihm selbst aus seiner Zeit in Uganda. Er lächelt, ist braun gebrannt und hat die Hände in die Taschen seines Arztkittels geschoben. Erik berührt flüchtig Benjamins Jeans, die zusammen mit dem schwarzen Sweater über dem Schreibtischstuhl hängt.
Er kehrt ins Wohnzimmer zurück, wo Simone das Telefon in der Hand hält. Sie legt die Batterien wieder ein und beginnt, eine Nummer zu wählen.
»Wen rufst du an?«
»Meinen Vater«, antwortet sie.
»Kannst du damit noch etwas warten?«
Sie lässt sich von ihm das Telefon aus den Händen nehmen.
»Was willst du mir sagen?«, fragt sie müde.
»Ich ertrage es nicht, Kennet zu begegnen, nicht jetzt, nicht …«
Er verstummt, legt das Telefon auf den Tisch und streicht sich übers Gesicht, ehe er einen neuen Anlauf
Weitere Kostenlose Bücher