Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören
Tassen auf den Tisch stellt. »Fang ganz von vorne an.«
Simone erzählt ihm ausführlich von der ersten Nacht, in der sie davon wach wurde, dass sich ein Fremder in der Wohnung aufhielt, woraufhin sie den Zigarettenrauch in der Küche wahrgenommen und gesehen hatte, dass die Wohnungstür offen stand und diesiges Licht aus Kühlschrank und Gefrierschrank strömte.
»Und Erik?«, hakt Kennet nach. »Was hat Erik getan?«
Sie zögert, begegnet dem Blick ihres Vaters und sagt:
»Er hat mir nicht geglaubt … Er meinte, einer von uns wäre wohl schlafgewandelt.«
»Verdammt«, sagt Kennet.
Simone spürt, dass ihr Gesicht sich wieder verzerrt. Kennet schenkt ihnen Kaffee ein, macht sich Notizen auf einem Blatt Papier und bittet sie, weiterzusprechen.
Sie erzählt von dem Nadelstich im Arm, der sie in der folgenden Nacht geweckt hat, und dass sie aufgestanden ist und seltsame Geräusche in Benjamins Zimmer gehört hat.
»Was für Geräusche?«, fragt Kennet.
»Ein Gurren«, sagt sie zögernd. »Oder Murmeln. Ich weiß es nicht.«
»Und dann?«
»Ich habe gefragt, ob ich hereinkommen darf, und dann habe ich dort jemanden gesehen, der sich über Benjamin beugte und …«
»Ja?«
»Dann haben meine Beine nachgegeben, und ich hatte kein Gefühl mehr in ihnen und bin hingefallen und konnte mich nicht rühren, ich lag im Flur und sah, wie Benjamin aus der Wohnung geschleift wurde … Oh Gott, sein Gesicht, er hatte solche Angst. Er rief nach mir und versuchte, meine Hände zu erreichen, aber ich konnte mich nicht mehr bewegen.«
Sie schweigt und starrt vor sich hin.
»Erinnerst du dich an noch etwas?«
»Was?«
»Wie sah der Eindringling aus?«
»Das weiß ich nicht.«
»Hast du etwas gesehen?«
»Er bewegte sich seltsam, ging gebeugt, als hätte er Schmerzen.«
Kennet notiert sich alles.
»Denk nach«, ermahnt er sie.
»Es war dunkel, Papa.«
»Und Erik?«, fragt Kennet. »Was hat er getan?«
»Er hat geschlafen.«
»Geschlafen?«
Sie nickt.
»Er hat in den letzten Jahren ziemlich oft Schlaftabletten genommen«, sagt sie. »Er lag im Gästezimmer und hat nichts gehört.«
Kennets Blick ist voller Verachtung, und Simone hat auf einmal Verständnis dafür, dass Erik gegangen ist.
»Was sind das für Tabletten?«, fragt Kennet. »Weißt du, wie sie heißen?«
Sie nimmt die Hände ihres Vaters in ihre.
»Papa, es geht hier nicht darum, Erik anzuklagen.«
Er zieht seine Hände zurück.
»Gewalt gegen Kinder wird fast ausschließlich von Familienmitgliedern verübt.«
»Das weiß ich, aber …«
»Wir sehen uns die Fakten an«, unterbricht Kennet sie ruhig. »Der Täter verfügt offensichtlich über medizinisches Fachwissen und hat Zugang zu Medikamenten.«
Sie nickt.
»Du hast Erik nicht im Gästezimmer liegen sehen.«
»Die Tür war zu.«
»Aber du hast ihn nicht gesehen, oder? Und du weißt nicht, ob er an dem Abend Schlaftabletten genommen hat.«
»Nein«, muss sie zugeben.
»Ich schaue mir nur an, was wir wissen, Sixan«, sagt er. »Und wir wissen, dass du ihn nicht schlafen gesehen hast. Vielleicht schlief er wirklich im Gästezimmer, aber wir wissen es nicht.«
Kennet steht auf und holt Brot aus der Speisekammer und Belag aus dem Kühlschrank. Er macht Simone ein Käsebrot und reicht es ihr.
Nach einer Weile räuspert er sich und fragt:
»Warum öffnet Erik Josef Ek die Tür?«
Sie starrt ihn an.
»Was willst du damit sagen?«
»Falls er das getan hat – welche Gründe könnte er dafür gehabt haben?«
»Ich finde, das ist ein ziemlich absurdes Gespräch.«
»Warum?«
»Erik liebt Benjamin.«
»Ja, aber vielleicht ist etwas schiefgegangen. Vielleicht wollte Erik nur mit Josef reden, ihn dazu bringen, sich zu stellen oder …«
»Hör auf, Papa«, bittet Simone ihn.
»Wenn wir Benjamin finden wollen, müssen wir uns diese Fragen stellen.«
Sie nickt mit dem Gefühl, dass ihr Gesicht zerfetzt ist, und sagt kaum hörbar:
»Vielleicht hat Erik ja gedacht, es würde jemand anderes anklopfen.«
»Wer denn?«
»Ich glaube, dass er sich mit einer Frau trifft, die Daniella heißt«, antwortet sie, ohne ihrem Vater in die Augen zu sehen.
25.
Sonntagmorgen, der dreizehnte Dezember,
Luciafest
Simone wacht um fünf Uhr morgens auf. Kennet muss sie ins Bett getragen und zugedeckt haben. Sie geht mit einer flatternden Hoffnung in der Brust zu Benjamins Zimmer, aber das Gefühl verschwindet abrupt, als sie auf der Türschwelle stehen bleibt.
Das
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