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Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören

Titel: Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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er etwas Kondenswasser vom Spiegel, befeuchtet sein Gesicht und verteilt Rasierschaum, kleistert sich aus Versehen die Nasenlöcher zu und schnaubt den Schaum fort. Die saubere Fläche des Spiegels schließt sich während seiner Rasur um ein immer kleiner werdendes Oval.
    Er denkt daran, dass die Tür Simone zufolge auch schon am Abend vor Josef Eks Flucht aus dem Krankenhaus offen gestanden hat. Sie wurde wach und ging sie zumachen. In jener Nacht kann Josef Ek sie jedoch nicht geöffnet haben. Wie sollte das möglich sein? Erik versucht zu verstehen, was in der Nacht passiert ist, aber es gibt zu viele offene Fragen. Wie ist Josef in die Wohnung gekommen? Vielleicht hat er einfach angeklopft, bis Benjamin wach geworden ist und ihm aufgemacht hat. Erik stellt sich vor, wie sich die beiden Jungen gegenüberstehen und einander im matten Licht der Treppenhausbeleuchtung betrachten. Benjamin ist barfuß, seine Haare stehen in alle Richtungen ab, er steht in seinem kindlichen Schlafanzug im Flur und blinzelt den größeren Jungen mit verschlafenen Augen an. Man könnte durchaus sagen, dass sie einander ähnlich sehen, aber Josef hat seine Eltern und seine kleine Schwester ermordet, er hat kurz zuvor eine Krankenschwester mit einem Skalpell umgebracht und auf dem Nordfriedhof einen Mann schwer verletzt.
    »Nein«, sagt Erik zu sich selbst. »Das glaube ich nicht, das passt einfach nicht zusammen.«
    Wer sonst hätte in die Wohnung gelangen können, wem würde Benjamin die Tür öffnen, wem würden Simone oder Benjamin einen Schlüssel anvertrauen? Benjamin dachte vielleicht, Aida würde zu ihm kommen. War sie es vielleicht? Erik sagt sich, dass er alle Möglichkeiten in Betracht ziehen muss. Vielleicht hat ­Josef einen Komplizen, der ihm bei der Tür geholfen hat, vielleicht hat Josef tatsächlich vorgehabt, schon in der ersten Nacht zu kommen, aber nicht fliehen können. Deshalb hat die Tür offen gestanden, so ist es abgemacht gewesen.
    Erik beendet seine Rasur, putzt sich die Zähne, nimmt das Handy vom Tisch, schaut auf die Uhr und ruft Joona an.
    »Guten Morgen, Erik«, sagt eine heisere Stimme mit finnischem Akzent.
    Joona muss Eriks Nummer im Display wiedererkannt haben.
    »Habe ich Sie geweckt?«
    »Nein.«
    »Entschuldigen Sie, dass ich schon wieder anrufe, aber …«
    Erik hustet.
    »Ist etwas passiert?«, fragt Joona.
    »Ihr habt Josef noch nicht gefunden?«
    »Wir müssen mit Simone sprechen, alles gründlich durchgehen.«
    »Aber Sie glauben nicht, dass Josef Benjamin entführt hat?«
    »Nein, das glaube ich nicht«, antwortet Joona. »Aber sicher bin ich mir nicht, ich würde mir gerne die Wohnung ansehen und die Nachbarn befragen, um vielleicht Zeugen zu finden.«
    »Soll ich Simone bitten, Sie anzurufen?
    »Nicht nötig.«
    Ein Tropfen löst sich vom Mundstück der rostfreien Mischbatterie und fällt mit einem markanten Laut ins Waschbecken.
    »Ich bin immer noch der Meinung, dass Sie Polizeischutz akzeptieren sollten«, sagt Joona.
    »Ich bin im Karolinska-Krankenhaus und glaube nicht, dass Josef freiwillig hierher zurückkehrt.«
    »Und was ist mit Simone?«
    »Fragt sie, kann sein, dass sie es sich anders überlegt hat«, sagt Erik. »Auch wenn sie schon einen Beschützer hat.«
    »Stimmt, davon habe ich gehört«, erwidert Joona und muss lachen. Er geht unwillkürlich zum Du über. »Weißt du, es fällt mir ehrlich gesagt schwer, mir ein Leben mit Kennet Sträng als Schwiegervater vorzustellen.«
    »Mir auch«, antwortet Erik.
    »Das kann ich gut verstehen«, lacht Joona und verstummt anschließend.
    »Hat Josef vorgestern versucht abzuhauen?«, fragt Erik.
    »Nein, das glaube ich nicht, jedenfalls deutet nichts darauf hin«, antwortet Joona. »Warum fragst du?«
    »Jemand hat in der Nacht unsere Wohnungstür geöffnet, genau wie letzte Nacht.«
    »Ich bin mir ziemlich sicher, dass Josefs Ausbruch die Reaktion darauf gewesen ist, dass ein Haftbefehl gegen ihn ausgestellt werden sollte, und das hat er erst Freitagabend erfahren«, erwidert Joona bedächtig.
    Erik schüttelt den Kopf, reibt sich mit dem Daumen über den Mund und sieht, dass die Wände des Badezimmers an graue Plastikplatten erinnern.
    »Das passt alles nicht zusammen«, seufzt er.
    »Hast du gesehen, dass die Tür offen stand?«, fragt Joona.
    »Nein, Sixan … Simone ist aufgestanden.«
    »Könnte sie aus irgendeinem Grund lügen?«
    »Der Gedanke ist mir noch nicht gekommen.«
    »Du musst die Frage nicht jetzt

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