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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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sei;
ganz besonders gefiel es ihm, daß derselbe mit Kolja, der ihn
fortwährend neckte, auf völlig gleichem Fuß verkehrte und mit ihm
durchaus freundschaftlich sprach.
    »Was ist das?« Mit dieser Frage wandte sich Lisaweta Prokofjewna an
Wjera, die Tochter Lebedjews, die mit einigen Büchern in den Händen vor
ihr stand. Die Bücher hatten ein großes Format und waren vorzüglich
gebunden und fast neu.
    »Ein Puschkin«, antwortete Wjera. »Unser Puschkin. Papa hat mir befohlen, ihn Ihnen zu bringen.«
    »Wie ist das gemeint? Was stellt das vor?« fragte Lisaweta Prokofjewna erstaunt.
    »Nicht als Geschenk, nicht als Geschenk! Das würde ich nicht wagen!«
rief Lebedjew, der hinter der Schulter seiner Tochter hervorsprang.
»Ich überlasse Ihnen die Bücher zu meinem Selbstkostenpreis. Dies ist
unser eigener Familien-Puschkin, die Annenkowsche Ausgabe, die jetzt
nirgends mehr aufzutreiben ist – zu meinem Selbstkostenpreis. Ich werde
ihn Ihnen mit Ehrerbietung hinbringen, in dem Wunsch, ihn Ihnen zu
verkaufen und dadurch die edle Ungeduld des höchst edlen literarischen
Interesses Euer Exzellenz zu befriedigen.«
    »Ah, du willst ihn verkaufen! Nun, dann danke ich schön. Du sollst
nicht um dein Geld kommen; habe keine Angst; schneide nur keine
Gesichter, Väterchen, sei so gut! Ich habe von dir gehört; du sollst ja
ein sehr belesener Mann sein; wir plaudern schon noch einmal
miteinander. Wie ist's? Willst du die Bücher selbst zu mir bringen?«
    »Mit Ehrerbietung und größtem Respekt!« versetzte Lebedjew höchst
zufrieden unter starkem Gesichterschneiden und nahm seiner Tochter die
Bücher ab.
    »Na, verliere sie nur nicht, wenn du sie hinbringst; Ehrerbietung
ist dabei nicht vonnöten. Aber ich sage dir vorher«, fügte sie, ihn
fest anblickend, hinzu, ȟber die Schwelle lasse ich dich nicht; dich
heute zu empfangen, das liegt nicht in meiner Absicht. Deine Tochter
Wjera kannst du mir aber gleich hinschicken; die hat mir sehr gefallen.«
    »Warum sagen Sie denn nichts von jenen Leuten?« wandte sich Wjera
ungeduldig an ihren Vater. »Sonst werden sie noch unaufgefordert
hereinkommen; sie haben schon angefangen Lärm zu machen. Ljow
Nikolajewitsch«, wandte sie sich an den Fürsten, der schon nach seinem
Hut gegriffen hatte, »da sind schon vor längerer Zeit vier Menschen
gekommen, die zu Ihnen wollen. Sie warten in unserer Wohnung und
schimpfen; aber Papa will sie nicht zu Ihnen hereinlassen.«
    »Was sind das für Besucher?« fragte der Fürst.
    »Sie sagen, sie kämen in einer geschäftlichen Angelegenheit«,
erwiderte Wjera. »Aber es sind Menschen von solcher Art, daß sie, wenn
sie jetzt nicht vorgelassen werden, sich nicht scheuen werden, Sie
einmal auf der Straße anzuhalten. Es wird das beste sein, wenn Sie sie
vorlassen, Ljow Nikolajewitsch, und sie dann ein für allemal
abschütteln. Gawrila Ardalionowitsch und Ptizyn reden dort auf sie ein;
aber sie hören nicht darauf.«
    »Es ist Pawlischtschews Sohn, es ist Pawlischtschews Sohn! Er ist es
nicht wert, er ist es nicht wert!« rief Lebedjew mit lebhaftem
Armschwenken. »Die Leute sind nicht wert, daß man sie anhört, und es
schickt sich gar nicht, daß Sie, durchlauchtigster Fürst, sich
ihretwegen stören lassen. So ist es. Die Menschen verdienen es nicht
...«
    »Pawlischtschews Sohn! Mein Gott!« rief der Fürst in größter
Verlegenheit. »Ich weiß ... aber ich hatte ja ... ich hatte ja Gawrila
Ardalionowitsch mit der Erledigung dieser Sache beauftragt. Eben hat
mir noch Gawrila Ardalionowitsch gesagt ...«
    Aber Gawrila Ardalionowitsch kam bereits aus den Zimmern auf die
Veranda heraus; ihm folgte Ptizyn. In dem nächsten Zimmer hörte man
Lärm und die laute Stimme des Generals Iwolgin, der, wie es schien,
einige andere Stimmen zu überschreien suchte. Kolja lief sogleich
dahin, wo der Lärm war.
    »Das ist sehr interessant«, bemerkte Jewgeni Pawlowitsch laut. »Also ist er orientiert!« dachte der Fürst.
    »Was für ein Sohn Pawlischtschews? Und ... was kann das für ein Sohn
Pawlischtschews sein?« fragte der General Iwan Fjodorowitsch erstaunt,
der neugierig seinen Blick über alle Gesichter schweifen ließ und mit
Verwunderung bemerkte, daß diese neue Geschichte nur ihm allein
unbekannt sei.
    In der Tat, die Aufregung und Spannung war allgemein. Der Fürst war
höchst verwundert, daß diese seine rein persönliche Angelegenheit
bereits das Inte resse aller Anwesenden in so hohem Grad erregt hatte.
    »Es wird sehr gut sein, wenn

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