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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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ist, so bin ich bereit, für meinen Freund dieses Opfer zu
bringen ... er ist eine ganz herrliche Seele! Ich halte ihn schon lange
für einen bedeutenden Menschen, Exzellenz! Meine eigene Bildung ist ja
natürlich nur mangelhaft; aber wenn er etwas kritisiert, so ist jedes
Wort von ihm eine Perle; er streut die Perlen nur so um sich, Exzellenz
...!«
    Der General wandte sich mit einer Miene der Verzweiflung von ihm weg.
    »Ich werde mich sehr freuen, wenn er hierbleibt; das Fahren würde
für ihn natürlich eine böse Sache sein«, erklärte der Fürst auf
Lisaweta Prokofjewnas erregte Fragen.
    »Aber wirst du denn dann selbst zum Schlafen kommen? Wenn du ihn
nicht hierbehalten magst, lieber Freund, dann werde ich ihn zu uns
transportieren lassen! O Gott, er kann sich ja kaum selbst auf den
Beinen halten! Du bist wohl krank, wie?«
    Als Lisaweta Prokofjewna den Fürsten nicht auf dem Sterbebett fand,
hatte sie, nach dem äußeren Aussehen urteilend, seinen
Gesundheitszustand für viel befriedigender gehalten, als er in
Wirklichkeit war; aber die soeben überstandene Krankheit, die
peinlichen mit ihr verbundenen Erinnerungen, die Ermüdung von dem
unruhigen Abend, die Affäre mit dem »Sohn Pawlischtschews« und der
jetzige Vorfall mit Ippolit, alles dies hatte zusammengewirkt, um die
krankhafte Empfindsamkeit des Fürsten bis zu einem fieberhaften Zustand
zu steigern.
    Aber außerdem beunruhigte ihn jetzt noch eine andere Sorge, ja eine
Befürchtung; er beobachtete ängstlich Ippolit, als ob er von seiner
Seite noch etwas erwartete.
    Plötzlich erhob sich Ippolit; er war schrecklich blaß, und sein
verzerrtes Gesicht trug den Ausdruck furchtbarer, verzweifelter Scham.
Das trat namentlich in seinem Blick zutage, der voll Haß und Furcht auf
die Anwesenden gerichtet war, und in dem verlegenen, schiefen,
umherirrenden Lächeln auf seinen zuckenden Lippen. Die Augen schlug er
sofort wieder nieder und ging mit schwankenden Schritten, immer noch in
gleicher Weise lächelnd, auf Burdowski und Doktorenko zu, die am
Ausgang der Veranda standen; er wollte mit ihnen mitfahren.
    »Das war es, was ich befürchtete!« rief der Fürst. »So mußte es kommen!«
    Mit rasendem Ingrimm wandte sich Ippolit schnell zu ihm um; jeder
Muskel seines Gesichtes zitterte und schien zu sprechen. »Ah, Sie haben
das befürchtet! So mußte es nach Ihrer Meinung kommen! So mögen Sie
denn wissen«, heulte er heiser und kreischend, und Speicheltröpfchen
flogen ihm dabei aus dem Mund, »daß, wenn ich jemand hier hasse (und
ich hasse Sie alle, alle!), ich Sie von allen und von allem, was es auf
der Welt gibt, am meisten hasse, Sie Jesuit, Sie Sirupsseele, Sie
Idiot, Sie Millionär und Wohltäter! Ich habe Sie schon lange
durchschaut und gehaßt, schon damals, als ich Sie nur erst vom
Hörensagen kannte; ich habe Sie gehaßt mit dem ganzen Haß meiner Seele
... Das haben Sie jetzt alles hier kunstvoll arrangiert! Sie haben
meinen Krankheitsanfall herbeigeführt! Sie haben einen Sterbenden dahin
gebracht, sich zu schämen; Sie, Sie, Sie sind an meinem unwürdigen
Kleinmut schuld! Ich würde Sie ermorden, wenn ich am Leben bliebe! Ich
brauche Ihre Wohltaten nicht; ich nehme von niemand Wohltaten an; hören
Sie wohl? von niemand und nichts! Ich habe vorhin im Delirium
gesprochen; erdreisten Sie sich nicht zu triumphieren ...! Ich
verfluche Sie alle ein für allemal!« Hier ging ihm die Luft völlig aus.
    »Er schämt sich seiner Tränen!« flüsterte Lebedjew der Generalin zu.
»›So mußte es kommen!‹ Ja, ja, der Fürst! Der hat in seiner Seele
gelesen ...«
    Aber Lisaweta Prokofjewna würdigte ihn keines Blickes. Sie stand
stolz aufgerichtet mit zurückgeworfenem Kopf da und betrachtete mit
geringschätziger Neugier »diese jämmerlichen Menschen«. Als Ippolit
schwieg, zuckte der General die Schultern; aber seine Frau sah ihn
zornig vom Kopf bis zu den Füßen an, als wolle sie ihn wegen dieser
Bewegung zur Rechenschaft ziehen, und wandte sich sogleich zum Fürsten.
    »Ich danke Ihnen, Fürst, Sie exzentrischer Freund unseres Hauses,
für den angenehmen Abend, den Sie uns allen bereitet haben. Gewiß sind
Sie jetzt im Herzen froh darüber, daß es Ihnen gelungen ist, auch uns
in Ihre Dummheiten zu verwickeln ... Machen wir Schluß, lieber Freund
unseres Hauses; ich danke Ihnen, daß Sie uns Gelegenheit gegeben haben,
wenigstens Sie genau kennenzulernen ...!«
    Mit allen Zeichen des Unwillens brachte sie ihre Mantille in Ordnung
und wartete darauf,

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