Der Idiot
daß die Burdowskische Gesellschaft aufbräche. Für
diese fuhr in diesem Augenblick eine Droschke vor, die Doktorenko schon
vor einer Viertelstunde durch Lebedjews Sohn, den Gymnasiasten hatte
holen lassen. Der General fügte dem, was seine Gattin gesagt hatte,
sofort auch seinerseits ein Wort hinzu.
»In der Tat, Fürst, ich hatte nicht erwartet ... nach allem Früheren
... nach all den freundschaftlichen Beziehungen ... und schließlich hat
Lisaweta Prokofjewna ...«
»Aber wie ist es nur möglich, wie ist es nur möglich!« rief
Adelaida, indem sie schnell an den Fürsten herantrat und ihm die Hand
reichte.
Der Fürst lächelte sie mit verwirrter Miene an. Plötzlich drang ein erregtes, hastiges Flüstern an sein Ohr.
»Wenn Sie nicht augenblicklich den Verkehr mit diesen garstigen
Menschen abbrechen, werde ich Sie mein Leben lang, mein ganzes Leben
lang hassen«, flüsterte Aglaja.
Sie war ganz außer sich vor Empörung; aber sie wandte sich ab, ehe
der Fürst Zeit fand, sie anzusehen. Übrigens hatte er zu einem Abbruch
des Verkehrs nicht mehr die Möglichkeit: der kranke Ippolit war
mittlerweile, so gut es eben ging, in die Droschke gepackt worden, und
diese fuhr eben ab.
»Nun, wird das noch lange dauern, Iwan Fjodorowitsch? Wie denken Sie
darüber? Werde ich noch lange unter diesen bösen Buben zu leiden haben?«
»Ja, liebe Frau, ich ... ich bin natürlich bereit, und ... der Fürst ...«
Iwan Fjodorowitsch streckte dennoch dem Fürsten die Hand hin, lief
aber, ohne daß es zu einem Händedruck gekommen wäre, hinter Lisaweta
Prokofjewna her, die geräuschvoll und zornig die Stufen vor der Veranda
hinunterstieg. Adelaida, ihr Bräutigam und Alexandra verabschiedeten
sich freundlich und herzlich vom Fürsten. Jewgeni Pawlowitsch machte es
ebenso; er war der einzige, der sich in heiterer Stimmung befand.
»Es ist so gegangen, wie ich es mir gedacht hatte! Nur schade, daß
auch Sie Armer dabei zu leiden gehabt haben!« flüsterte er mit dem
liebenswürdigsten Lächeln. Aglaja ging weg, ohne sich zu verabschieden.
Aber die Ereignisse dieses Abends waren damit noch nicht zu ihrem
Ende gelangt; Lisaweta Prokofjewna sollte noch eine sehr unerwartete
Begegnung durchmachen.
Sie war noch nicht ganz die Stufen nach dem Weg hinuntergestiegen,
der sich um den Park herumzog, als eine elegante Equipage, ein mit zwei
Schimmeln bespannter Landauer, neben dem Landhaus des Fürsten
vorbeirollte. In dem Wagen saßen zwei schöngekleidete Damen. Aber als
der Wagen kaum zehn Schritte vorbeigefahren war, hielt er plötzlich an;
eine der Damen wendete sich schnell um, als ob sie plötzlich einen
Bekannten erblickt hätte, mit dem sie notwendig sprechen müßte.
»Jewgeni Pawlowitsch! Bist du es?« rief eine wohltönende, helle
Stimme, bei deren Klang der Fürst und vielleicht sonst noch jemand
zusammenfuhr. »Wie freue ich mich, daß ich dich endlich gefunden habe!
Ich hatte einen expressen Boten an dich nach der Stadt geschickt, und
dann einen zweiten! Den ganzen Tag haben sie dich gesucht!«
Jewgeni Pawlowitsch stand auf den Treppenstufen wie vom Donner
gerührt. Lisaweta Prokofjewna war ebenfalls stehengeblieben, aber nicht
in starrem Schreck wie Jewgeni Pawlowitsch; sie schaute die dreiste
Dame ebenso stolz und mit derselben kalten Verachtung an wie fünf
Minuten vorher die »jämmerlichen Menschen« und wandte dann ihren
forschenden Blick sofort nach Jewgeni Pawlowitsch.
»Eine Neuigkeit!« fuhr die helle Stimme fort. »Wegen der Kupferschen
Wechsel kannst du unbesorgt sein; Rogoschin hat sie für dreißigtausend
Rubel aufgekauft; ich habe ihn dazu überredet. Wenigstens für drei
Monate kannst du beruhigt sein. Und mit Biskup und dieser ganzen Bande
werden wir uns gewiß einigen, auf Grund unserer alten Bekanntschaft!
Nun, du siehst also, es steht alles gut. Freue dich! Auf Wiedersehen
morgen!«
Die Equipage setzte sich wieder in Bewegung und verschwand schnell.
»Das ist eine Irrsinnige!« rief Jewgeni Pawlowitsch endlich; er war
vor Entrüstung ganz rot geworden und blickte erstaunt rings um sich.
»Ich verstehe kein Wort von dem, was sie sagte! Was sollen das für
Wechsel sein? Wer ist die Person?«
Lisaweta Prokofjewna sah ihn noch ein paar Sekunden an; dann drehte
sie sich kurz um und ging schnell nach ihrem Landhaus; die andern
folgten ihr. Aber einen Augenblick darauf kehrte Jewgeni Pawlowitsch in
großer Aufregung wieder zu dem Fürsten in die Veranda zurück. »Fürst,
sagen Sie mir die Wahrheit:
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