Der Idiot
Ende jeder der Pfoten, so daß es also im
ganzen acht Fühler waren. Das Tier lief sehr schnell im Zimmer umher,
wobei es sich auf die Pfoten und den Schwanz stützte, und wenn es lief,
wanden sich der Rumpf und die Pfoten trotz der Schale mit großer
Schnelligkeit wie kleine Schlangen, was sehr widerwärtig anzusehen war.
Ich hatte schreckliche Angst, es könnte mich stechen; es war mir gesagt
worden, es sei giftig. Ganz besonders aber quälte mich der Gedanke, wer
es wohl in mein Zimmer geschickt habe, was man mir antun wolle, und
worin dieses Geheimnis bestehe. Das Tier versteckte sich unter die
Kommode und unter den Schrank und kroch in die Ecken. Ich setzte mich
auf einen Stuhl und schlug die Beine unter den Leib. Das Tier lief
schnell schräg durch das ganze Zimmer und verschwand irgendwo in der
Gegend meines Stuhls. Voller Furcht blickte ich rings um mich; aber da
ich mit untergeschlagenen Beinen dasaß, so hoffte ich, daß es nicht
werde auf den Stuhl heraufkriechen können. Plötzlich hörte ich hinter
mir, fast bei meinem Kopf, ein knisterndes Geräusch; ich drehte mich um
und sah, daß das Scheusal an der Wand hinaufkroch, sich schon in
gleicher Höhe mit meinem Kopf befand und sogar meine Haare mit seinem
Schwanz berührte, der sich mit außerordentlicher Geschwindigkeit drehte
und wand. Ich sprang auf, und im gleichen Augenblick war auch das Tier
verschwunden. Auf das Bett mochte ich mich nicht legen, aus Furcht, es
könnte unter das Kissen kriechen. Da traten meine Mutter und ein
Bekannter von ihr ins Zimmer. Sie begannen, auf das garstige Tier Jagd
zu machen; aber sie waren ruhiger als ich und fürchteten sich nicht
einmal. Aber sie konnten nichts finden. Auf einmal kam das Untier
wieder hervorgekrochen; es kroch diesmal sehr sachte und wand sich, wie
mit besonderer Absicht, nur langsam, was noch viel greulicher aussah;
es nahm seinen Weg wieder schräg durch das Zimmer nach der Tür hin. Da
öffnete meine Mutter die Tür und rief Norma, unsere Hündin, einen
riesigen, schwarzen, zottigen Neufundländer; sie ist schon vor fünf
Jahren gestorben. Norma kam ins Zimmer hereingestürzt und blieb vor dem
Reptil wie angewurzelt stehen. Auch dieses machte halt, wand sich aber
immer noch hin und her und kratzte mit den Enden der Pfoten und des
Schwanzes auf dem Fußboden herum. Tiere sind, wenn ich nicht irre,
nicht imstande, eine mystische Angst zu empfinden; aber in diesem
Augenblick schien es mir doch, als ob auch in Normas Angst etwas sehr
Ungewöhnliches, beinah Mystisches liege und sie somit ebenfalls, wie
ich, ahne, daß in dem Tier etwas Verhängnisvolles, ein Geheimnis
stecke. Sie wich langsam vor dem Reptil zurück, das sachte und
vorsichtig auf sie zukroch und, wie es schien, sich plötzlich auf sie
stürzen und sie stechen wollte. Aber trotz aller Angst, und obwohl sie
an allen Gliedern zitterte, machte sie doch schrecklich grimmige Augen.
Auf einmal fletschte sie langsam ihre furchtbaren Zähne, öffnete weit
ihren gewaltigen, roten Rachen, paßte geschickt die Entfernung ab,
faßte einen Entschluß und packte plötzlich das garstige Tier mit den
Zähnen. Dieses machte heftige Bewegungen, um zu entschlüpfen, so daß
Norma es noch einmal, jetzt im Flug, griff und es zweimal, immer im
Flug, mit dem ganzen Rachen in sich hineinzog, als wollte sie es
hinunterschlucken. Die Schale knackte unter ihren Zähnen; der Schwanz
des Tieres und die Pfoten, die aus dem Maul herausragten, bewegten sich
mit furchtbarer Geschwindigkeit. Auf einmal begann Norma kläglich zu
winseln: das Reptil hatte es doch noch fertiggebracht, sie in die Zunge
zu stechen. Vor Schmerz winselnd und heulend, öffnete sie das Maul, und
ich sah, daß das zerbissene, quer im Maul liegende Reptil sich noch
bewegte und aus seinem halbzerquetschten Körper auf Normas Zunge eine
Menge weißen Saftes floß, ähnlich dem Saft einer zerdrückten schwarzen
Schabe ... In diesem Augenblick wachte ich auf, und der Fürst trat
herein.«
»Meine Herren«, sagte Ippolit, indem er seine Vorlesung plötzlich
unterbrach und ein beschämtes Gesicht machte, »ich habe es nicht noch
einmal durchgelesen; aber ich habe, wie es scheint, tatsächlich viel
Überflüssiges hingeschrieben. Dieser Traum ...«
»Ja, das ist richtig«, beeilte sich Ganja einzuschieben.
»Ich muß zugeben, es ist zuviel Persönliches dabei, das heißt Dinge, die eigentlich nur auf mich Bezug haben ...«
Als Ippolit das sagte, sah er müde und erschöpft aus und wischte sich mit
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