Der Idiot
begreifen können, wie interessant du
in ihren Augen geworden wärst, wenn du es verstanden hättest, unsere
kümmerliche Lage mit Festigkeit und Stolz zu ertragen. Bei dem Fürsten
hat sie angebissen, erstens weil er es nicht darauf angelegt hatte, sie
zu fangen, und zweitens, weil er in den Augen aller ein Idiot ist.
Schon allein, daß sie um seinetwillen ihre Familie in Aufregung
versetzt, schon das ist ihr jetzt eine Freude. Ach, ihr versteht aber
auch gar nichts!«
»Nun, das wollen wir noch sehen, ob wir etwas verstehen oder nicht«,
murmelte Ganja rätselhaft. »Aber ich möchte doch nicht, daß sie das von
dem Alten erfährt. Ich hatte gemeint, der Fürst werde sich beherrschen
und es nicht weitererzählen. Er hat Lebedjew veranlaßt, davon zu
schweigen, und wollte auch mir nicht alles sagen, als ich in ihn drang
...«
»Also siehst du selbst, daß auch auf anderm Weg alles schon bekannt
geworden ist. Was willst du jetzt noch weiter? Worauf hoffst du noch?
Wenn ihr überhaupt noch eine Hoffnung bliebe, so würde gerade dieser
Vorfall dir nützen, indem er dir in ihren Augen das Ansehen eines
Märtyrers verleihen würde.«
»Na, vor einem Skandal würde doch auch sie zurückschrecken, trotz
all ihrer Romantik. Es hat alles seine Grenze, und alle Menschen gehen
nur bis zu einer bestimmten Grenze; so seid ihr alle.«
»Aglaja würde zurückschrecken?« versetzte Warja heftig und blickte
ihren Bruder geringschätzig an. »Da hast du doch eine niedrige
Denkungsart! Ihr seid allesamt nichts wert. Mag sie auch eine komische,
wunderliche Person sein; aber dafür hat sie eine tausendmal
anständigere Gesinnung als ihr alle!«
»Na, schon gut, schon gut, ärgere dich nur nicht!« murmelte Ganja wieder selbstzufrieden.
»Mir tut nur die Mutter leid«, fuhr Warja fort. »Ich fürchte, daß
diese Geschichte mit dem Vater ihr zu Ohren kommt. Ach ja, das fürchte
ich!«
»Das ist gewiß schon geschehen«, bemerkte Ganja.
Warja stand auf, um zu Nina Alexandrowna nach oben zu gehen, blieb aber dann noch stehen und blickte ihren Bruder aufmerksam an.
»Wer kann es aber gewesen sein, der es ihr gesagt hat?«
»Wahrscheinlich Ippolit. Ich denke mir, er hat sich sofort, nachdem
er zu uns übergesiedelt ist, eine Freude daraus gemacht, es der Mutter
zu berichten.«
»Aber woher weiß er es denn? Das sag mir, bitte! Der Fürst und
Lebedjew haben sich vorgenommen, es niemandem zu sagen; auch Kolja weiß
nichts davon.«
»Ippolit? Der hat es von selbst erfahren. Du kannst dir gar nicht
vorstellen, was das für eine listige Kreatur ist, was für ein
Klatschweib, und was er für eine feine Nase hat, um alles Schlechte und
Skandalöse zu wittern. Na, magst du es glauben oder nicht, ich bin
überzeugt, daß er Aglaja schon ganz in seinen Händen hat! Und wenn es
ihm noch nicht gelungen ist, so wird es ihm bald gelingen! Auch
Rogoschin ist zu ihm in Beziehung getreten. Wie ist es nur möglich, daß
der Fürst das nicht merkt! Und jetzt hat er die größte Lust, mich
hineinzulegen! Er hält mich für seinen persönlichen Feind; das habe ich
längst durchschaut. Woher nur? Und was hat er hier noch vor? Er wird ja
bald sterben; ich kann es nicht begreifen! Aber ich werde ihn hinters
Licht führen; du wirst sehen, daß nicht er mich hineinlegt, sondern ich
ihn.«
»Warum hast du ihn denn zu uns herübergelockt, wenn du ihn so haßt? Und ist er das überhaupt wert, daß du ihn hineinlegst?«
»Du bist es ja gewesen, die mir geraten hat, ihn zu uns herüberzulocken.«
»Ich glaubte, er würde uns nützlich sein; aber weißt du, daß er sich
jetzt selbst in Aglaja verliebt hat und an sie geschrieben hat? Sie
haben mich danach befragt ... vielleicht hat er auch an Lisaweta
Prokofjewna geschrieben.«
»In dieser Hinsicht ist er nicht gefährlich!« sagte Ganja, boshaft
lachend. »Übrigens ist da sicherlich etwas nicht in Ordnung. Daß er
verliebt ist, ist gut möglich; denn er ist ein unreifer Bube! Aber ...
anonyme Briefe wird er der Alten nicht schreiben. Eine boshafte,
wertlose, selbstzufriedene Mittelmäßigkeit, das ist seine
Charakteristik ... Ich bin überzeugt, ja, ich weiß sicher, daß er mich
ihr als einen Intriganten geschildert hat; das ist das erste gewesen,
was er getan hat. Ich muß bekennen, ich bin zuerst dumm genug gewesen,
mich etwas vor ihm aufzuknöpfen; ich meinte, er werde, schon um sich an
dem Fürsten zu rächen, für meine Interessen eintreten; er ist eine so
listige Kreatur! Oh, ich habe ihn jetzt
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