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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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Ganja pathetisch.
    »Rede!« brüllte der General in höchster Wut. »Rede! Ich befehle es unter Androhung meines väterlichen Fluches ... Rede!«
    »Na, ich werde mich auch gerade vor Ihrem Fluch fürchten! Wer ist
denn daran schuld, daß Sie seit acht Tagen wie verrückt sind? Seit acht
Tagen; Sie sehen, ich weiß alles genau nach dem Datum ... Nehmen Sie
sich in acht, und treiben Sie mich nicht zum Äußersten; sonst sage ich
alles ... Warum haben Sie sich denn gestern zu Jepantschins begeben?
Und da nennt er sich noch einen alten Mann, spricht von seinen grauen
Haaren und spielt sich als Familienvater auf! Ein netter Patron!«
    »Schweig still, Ganja!« rief Kolja. »Schweig still, du Dummkopf!«
    »Aber womit habe ich, ich ihn denn beleidigt?« fragte Ippolit
hartnäckig, immer noch in demselben spöttischen Ton. »Warum nennt er
mich einen Bohrer, wie Sie selbst gehört haben? Er hat sich selbst an
mich herangemacht; er kam soeben zu mir und fing an, von einem
Hauptmann Jeropegow zu sprechen. Ich wünsche überhaupt nicht, mit Ihnen
zu verkehren, General; ich bin Ihnen schon früher aus dem Weg gegangen,
wie Sie selbst wissen. Sagen Sie selbst: was geht mich der Hauptmann
Jeropegow an? Um des Hauptmanns Jeropegow willen bin ich nicht hierher
gezogen. Ich habe ihm nur laut meine Meinung ausgesprochen, daß dieser
Hauptmann Jeropegow vielleicht überhaupt niemals existiert hat. Und da
hat er einen Höllenlärm gemacht.«
    »Zweifellos hat er nicht existiert!« sagte Ganja in scharfem Ton.
    Der General stand wie betäubt und blickte nur gedankenlos rings um
sich. Die Worte seines Sohnes verblüfften ihn durch ihre ungewöhnliche
Offenheit. Im ersten Augenblick konnte er gar keine Worte finden. Erst
als Ippolit über Ganjas Antwort laut auflachte und rief: »Na, nun haben
Sie es gehört, Ihr eigener Sohn sagt auch, daß es keinen Hauptmann
Jeropegow gegeben hat«, erst da murmelte der Alte endlich, ganz
verwirrt:
    »Kapiton Jeropegow, nicht Hauptmann 1 ... Kapiton ... Oberstleutnant a.D., Jeropegow ... Kapiton.«
    »Auch diesen Kapiton hat es nicht gegeben!« rief Ganja, der ganz grimmig geworden war.
    »Aber ... warum soll es ihn nicht gegeben haben?« murmelte der General, dem die Röte ins Gesicht stieg.
    »So lassen Sie es doch gut sein!« sagten Ptizyn und Warja beschwichtigend zu ihm.
    »Schweig still, Ganja!« rief Kolja wieder.
    Aber der Umstand, daß sich jemand seiner annahm, hatte die Wirkung, den General wieder zu beleben.
    »Wieso soll es ihn nicht gegeben haben? Warum soll er nicht existiert haben?« fuhr er seinen Sohn zornig an.
    »Ganz einfach, weil er nicht existiert hat. Er hat eben nicht
existiert und kann überhaupt nicht existiert haben. Da haben Sie es!
Lassen Sie mich in Ruhe, sage ich!«
    »Und das ist mein Sohn ... das ist mein leiblicher Sohn, den ich ...
o Gott! Jeropegow, Jerofei Jeropegow soll nicht existiert haben!«
    »Na, da sieht man's, bald heißt er Jerofei, bald Kapiton!« warf Ippolit dazwischen.
    »Kapiton, mein Herr, Kapiton, nicht Jerofei! Kapiton, Kapiton
Alexejewitsch, hören Sie wohl, Kapiton ... Oberstleutnant ... a. D....
er heiratete Marja ... Marja ... Petrowna Su ... Su ... er war mein
Freund und Kamerad ... seine Frau war eine geborene Sutugowa; er
heiratete sie, als er noch Fähnrich war! Ich habe mein Blut für ihn
vergossen, ihn mit meinem Leib gedeckt ... er ist gefallen. Und nun
soll Kapiton Jeropegow nicht existiert haben, nicht auf der Welt
gewesen sein!«
    Nach der Wut, mit der der General schrie, hätte man denken können,
es handle sich um etwas weit Wichtigeres, wodurch er zu solchem
Geschrei veranlaßt werde. Und wirklich hätte er zu anderer Zeit gewiß
weit stärkere Beleidigungen, als es die Bemerkung über Kapiton
Jeropegows Nichtexistenz war, ertragen; er hätte wohl ein bißchen
Geschrei erhoben, hätte eine Szene gemacht, wäre außer sich gewesen,
wäre aber doch schließlich nach seinem Zimmer hinaufgegangen, um sich
schlafen zu legen. Aber das Menschenherz ist ein sonderbares Ding:
jetzt traf es sich, daß gerade eine verhältnismäßig so geringe Kränkung
wie der Zweifel an Jeropegows Existenz das Gefäß zum Überlaufen bringen
mußte. Der Alte wurde purpurrot, hob die Arme in die Höhe und schrie:
    »Genug! Mein Fluch ... hinaus aus diesem Haus! Nikolai, bring meine Reisetasche; ich gehe ... ich will fort!«
    Eilig, im höchsten Zorn, ging er hinaus. Nina Alexandrowna, Kolja und Ptizyn stürzten ihm nach.
    »Na, was hast du jetzt

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