Der Idiot
Prokofjewnas
Fahrt hatte an dem Tag stattgefunden, an welchem der Fürst, statt um
zehn Uhr, um ein Uhr gekommen war). Die Schwestern antworteten auf die
ungeduldigen Fragen der Mama sehr ausführlich. Es sei in ihrer
Abwesenheit absolut nichts vorgefallen. Der Fürst sei gekommen; Aglaja
sei lange, wohl eine halbe Stunde lang, nicht zu ihm hereingekommen;
als sie endlich hereingekommen sei, habe sie dem Fürsten sofort eine
Partie Schach angeboten; aber vom Schachspiel verstehe der Fürst so gut
wie nichts, und Aglaja habe ihn sogleich besiegt; sie sei sehr lustig
geworden, habe den Fürsten wegen seiner Unkenntnis arg verspottet und
ihn dermaßen ausgelacht, daß er einem habe leid tun können. Dann habe
sie ihm den Vorschlag gemacht, mit ihm Karten zu spielen, und zwar
Schafskopf. Aber dabei sei das Resultat gerade das umgekehrte gewesen:
der Fürst habe bei diesem Spiel eine solche Stärke bewiesen wie ... wie
ein Professor dieser Kunst und habe ganz meisterhaft gespielt; Aglaja
habe sogar gemogelt und Karten vertauscht und ihm vor seinen Augen
Stiche gestohlen; er habe sie aber trotzdem jedesmal zum Schafskopf
gemacht, fünfmal hintereinander. Aglaja sei ganz wütend geworden und
habe alle Selbstbeherrschung verloren; sie habe dem Fürsten solche
Anzüglichkeiten und Unartigkeiten gesagt, daß er nicht mehr gelacht
habe; und als sie ihm schließlich gesagt habe, sie würde sich in diesem
Zimmer nicht aufhalten, solange er darin sitze, und er müsse sich
eigentlich schämen, daß er »nach allem Vorgefallenen« noch zu ihnen
gekommen sei, und noch dazu zwischen zwölf und ein Uhr nachts, da sei
er ganz blaß geworden. Darauf sei sie hinausgegangen und habe die Tür
hinter sich zugeschlagen. Der Fürst sei so traurig wie von einem
Begräbnis fortgegangen, obwohl sie ihn auf alle Weise zu trösten
gesucht hätten. Auf einmal, ungefähr eine Viertelstunde, nachdem der
Fürst weggegangen sei, sei Aglaja von oben nach der Veranda
heruntergelaufen gekommen, so eilig, daß sie sich nicht einmal die
Augen habe trocknen können, und ihre Augen seien ganz verweint gewesen;
heruntergelaufen sei sie aber deswegen, weil Kolja gekommen sei und
einen Igel gebracht habe. Sie hätten sich nun alle den Igel besehen;
auf ihre Fragen habe Kolja erklärt, der Igel gehöre nicht ihm; er,
Kolja, sei mit einem Kameraden, einem andern Gymnasiasten, nämlich
Kostja Lebedjew, zusammen ausgegangen, der jetzt auf der Straße
geblieben sei und sich geniere hereinzukommen, weil er ein Beil trage;
sowohl den Igel als auch das Beil hätten sie soeben von einem ihnen
begegnenden Bauern gekauft. Den Igel habe der Bauer ihnen angeboten und
fünfzig Kopeken für ihn genommen; das Beil aber hätten sie selbst ihn
überredet zu verkaufen, weil es sich gerade gut so getroffen habe, und
es sei auch wirklich ein sehr gutes Beil. Nun habe Aglaja angefangen,
Kolja mit Bitten zu bestürmen, er möchte ihr sogleich den Igel
verkaufen; sie sei ganz außer sich gewesen und habe ihn sogar »lieber
Kolja« genannt. Kolja habe lange nicht einwilligen wollen, schließlich
aber doch nicht widerstehen können und Kostja Lebedjew hereingerufen,
der wirklich mit dem Beil hereingekommen sei und sich sehr verlegen
benommen habe. Aber nun habe sich auf einmal herausgestellt, daß der
Igel überhaupt nicht ihnen gehöre, sondern einem dritten Knaben, namens
Petrow, der ihnen beiden Geld gegeben habe, damit sie für ihn
Schlossers Weltgeschichte von einem vierten Knaben käuflich erwürben,
der sich in Geldverlegenheit befinde und dieses Werk billig losschlagen
wolle; sie seien nun unterwegs gewesen, um Schlossers Weltgeschichte zu
kaufen, hätten aber der Verlockung nicht widerstehen können und den
Igel gekauft, so daß also sowohl der Igel als auch das Beil Eigentum
jenes dritten Knaben seien, dem sie diese beiden Dinge nun an Stelle von
Schlossers Weltgeschichte bringen wollten. Aber Aglaja habe ihnen so
zugesetzt, daß sie schließlich nachgegeben und ihr den Igel verkauft
hätten. Sowie Aglaja den Igel bekommen habe, habe sie ihn sogleich mit
Koljas Hilfe in ein geflochtenes Körbchen gesetzt, mit einer Serviette
zugedeckt und Kolja gebeten, ihn sogleich, und ohne unterwegs
einzukehren, in ihrem Namen zu dem Fürsten zu bringen, mit der Bitte,
ihn als »ein Zeichen ihrer größten Hochachtung« anzunehmen. Kolja habe
freudig eingewilligt und sein Wort darauf gegeben, daß er ihn
hinbefördern werde, aber sofort durchaus von ihr wissen wollen, was ein
Igel oder ein
Weitere Kostenlose Bücher