Der Idiot
ähnliches Geschenk bedeute. Aglaja habe ihm geantwortet,
das gehe ihn nichts an. Er habe erwidert, er sei überzeugt, daß eine
Symbolik dahinterstecke. Aglaja sei ärgerlich geworden und habe ihm in
scharfem Ton geantwortet, er sei ein dummer Junge und weiter nichts.
Kolja habe ihr sofort versetzt, wenn er nicht in ihr die Frau achtete
und außerdem seine festen Grundsätze hätte, so würde er ihr auf der
Stelle beweisen, daß er auf solche Beleidigungen sehr wohl zu antworten
verstehe. Die Sache hätte übrigens damit geendet, daß Kolja doch mit
Begeisterung davongegangen wäre, um den Igel hinzubringen, und Kostja
Lebedjew hinter ihm hergelaufen wäre. Als Aglaja gesehen habe, daß
Kolja mit dem Körbchen zu sehr schlenkerte, habe sie sich nicht
enthalten können, ihm von der Veranda aus nachzurufen: »Bitte, liebster
Kolja, lassen Sie ihn nicht hinausfallen!«, als ob sie sich nicht kurz
vorher mit ihm gezankt hätte; Kolja sei stehengeblieben und habe,
ebenfalls als ob er sich nicht mit ihr gezankt gehabt hätte, mit der
größten Dienstbeflissenheit zurückgerufen: »Ich werde ihn schon nicht
hinausfallen lassen, Aglaja Iwanowna; seien Sie ganz unbesorgt!« und
sei wieder spornstreichs weitergelaufen.
Aglaja habe hierauf furchtbar gelacht, sei höchst zufrieden auf ihr
Zimmer gelaufen und dann den ganzen Tag über sehr lustig gewesen.
Durch diese Nachricht wurde Lisaweta Prokofjewna geradezu betäubt.
Man könnte meinen: was war denn an der ganzen Sache daran? Aber sie war
nun einmal in eine solche Stimmung hineingeraten. Ihre Unruhe stieg nun
auf den höchsten Grad, und die Hauptsache war der Igel; was bedeutete
der Igel? Was steckte da dahinter? Was hatte das für einen geheimen
Sinn? Was war das für ein verabredetes Zeichen, was für ein Telegramm?
Dazu kam noch, daß der arme Iwan Fjodorowitsch, der zufällig bei dem
Verhör zugegen war, durch eine von ihm gegebene Antwort die ganze Sache
vollständig verdarb. Seiner Meinung nach war von einem Telegramm dabei
überhaupt nicht die Rede, sondern der Igel sei einfach ein Igel, weiter
nichts, und bedeute vielleicht außerdem Freundschaft, Vergessen der
Kränkungen, Versöhnung; kurz, das Ganze sei ein mutwilliger Streich,
aber jedenfalls ein harmloser und verzeihlicher.
In Parenthese bemerken wir, daß er damit durchaus das Richtige
getroffen hatte. Als der Fürst, von Aglaja verhöhnt und weggejagt, nach
Hause zurückgekehrt war, hatte er schon eine halbe Stunde in der
düstersten Verzweiflung dagesessen, als auf einmal Kolja mit dem Igel
erschien. Sofort klärte sich der Himmel auf; der Fürst erstand
gleichsam wieder von den Toten; er fragte Kolja aus, klammerte sich an
jedes Wort, das er sagte, erkundigte sich zehnmal nach derselben Sache,
lachte wie ein Kind und drückte den beiden lachenden und ihn vergnügt
anblickenden Knaben alle Augenblicke die Hände. Es war also klar, daß
Aglaja verzieh und der Fürst gleich heute abend wieder zu ihr gehen
konnte, und das war für ihn nicht nur die Hauptsache, sondern geradezu
alles. »Was sind wir noch für Kinder, Kolja! Und ... und wie gut, daß
wir noch Kinder sind!« rief er endlich entzückt aus.
»Es ist ganz einfach: sie ist in Sie verliebt, Fürst; weiter
nichts!« antwortete Kolja nachdenklich mit der Miene eines
Sachverständigen.
Der Fürst wurde dunkelrot, erwiderte aber diesmal kein Wort; Kolja
aber lachte nur und klatschte in die Hände; einen Augenblick darauf
fing auch der Fürst an zu lachen, und dann sah er bis zum Abend alle
fünf Minuten nach der Uhr, ob schon viel Zeit vergangen sei, und
wieviel noch bis zum Abend übrig sei.
Aber für Lisaweta Prokofjewna war die Erregung doch zu stark; sie
konnte schließlich keinen Widerstand mehr leisten und überließ sich
ihren hysterischen Empfindungen. Trotz aller Einwände ihres Gatten und
ihrer Töchter ließ sie unverzüglich Aglaja rufen, um ihr die
entscheidende Frage vorzulegen und von ihr eine klare, entscheidende
Antwort zu erhalten. »Die ganze Geschichte soll mit einemmal ein Ende
nehmen«, erklärte sie; »wir müssen die Last von den Schultern los
werden, so daß künftig gar nicht mehr davon gesprochen wird! Sonst
erlebe ich diesen Abend nicht mehr!« Erst in diesem Augenblick merkten
alle, wie unsinnig weit sie die Sache hatten kommen lassen. Aber außer
gekünstelter Verwunderung und Entrüstung sowie spöttischem Lachen über
den Fürsten und alle Fragenden war von Aglaja nichts zu erlangen.
Lisaweta Prokofjewna legte sich ins
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