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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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daß Sie furchtbar
ungebildet sind; nichts wissen Sie ordentlich, wenn man Sie nach etwas
fragt: weder wer etwas getan hat, noch in welchem Jahr etwas geschehen
ist, noch auf Grund welches Vertrages. Sie sind von einer kläglichen
Unwissenheit.«
    »Ich habe Ihnen ja gesagt, daß ich keine große Gelehrsamkeit besitze«, erwiderte der Fürst.
    »Was ist denn unter solchen Umständen an Ihnen daran? Wie kann ich
Sie dann achten? Lesen Sie weiter; übrigens, es ist nicht nötig, hören
Sie nur damit auf!«
    Und an demselben Abend veranstaltete sie wieder ein für alle
rätselhaftes Intermezzo. Der Fürst Schtsch. war zurückgekehrt. Aglaja
benahm sich gegen ihn sehr freundlich und fragte ihn viel nach Jewgeni
Pawlowitsch (Fürst Ljow Nikolajewitsch war noch nicht gekommen). Auf
einmal erlaubte sich Fürst Schtsch. auf »die nahe bevorstehende neue
Umwälzung in der Familie« hinzudeuten, und zwar infolge einer
Bemerkung, welche Lisaweta Prokofjewna sich hatte entschlüpfen lassen,
daß nämlich Adelaidas Hochzeit vielleicht nochmals verschoben werden
müsse, damit beide Hochzeiten zusammen begangen werden könnten. Es ging
über alle Begriffe, in was für einen Zorn Aglaja über »all diese dummen
Vermutungen« geriet; unter anderm entfuhren ihr die Worte, »sie habe
noch nicht die Absicht, die Nachfolgerin der Mätressen irgend jemandes
zu werden«.
    Durch diese Worte wurden alle und ganz besonders die Eltern in das
höchste Erstaunen versetzt. Lisaweta Prokofjewna sprach in einer
geheimen Beratung mit ihrem Mann das dringende Verlangen aus, es solle
mit dem Fürsten eine endgültige Auseinandersetzung über sein Verhältnis
zu Nastasia Filippowna stattfinden.
    Iwan Fjodorowitsch erwiderte, er wolle darauf schwören, daß das
alles nur eine aus Aglajas »Verschämtheit« hervorgehende »Extravaganz«
sei; hätte Fürst Schtsch. nicht angefangen von der Hochzeit zu reden,
so wäre es zu dieser Extravaganz gar nicht gekommen; denn Aglaja wisse
selbst zuverlässig, daß das alles nur Klatsch schlechter Menschen sei
und Nastasja Filippowna sich mit Rogoschin verheiraten werde; der Fürst
habe, von einer Liaison ganz zu geschweigen, mit ihr überhaupt nichts
zu schaffen und habe niemals etwas mit ihr zu schaffen gehabt, wenn man
die reine Wahrheit sagen wolle. Aber der Fürst ließ sich durch nichts
irremachen und fuhr fort in Seligkeit zu schwelgen. Freilich bemerkte
auch er mitunter einen düsteren, ungeduldigen Ausdruck in Aglajas
Blicken; aber er führte dies auf andere Gründe zurück, und der düstere
Ausdruck verschwand ja dann auch von selbst wieder. Einmal überzeugt,
ließ er sich in seiner Überzeugung durch nichts wankend machen.
Vielleicht war er doch gar zu ruhig; wenigstens war dieser Ansicht
Ippolit, der ihm zufällig einmal im Park begegnete.
    »Nun, habe ich Ihnen damals nicht die Wahrheit gesagt, als ich es
aussprach, daß Sie verliebt seien?« begann er, indem er an den Fürsten
herantrat und ihn anhielt.
    Dieser streckte ihm die Hand hin und beglückwünschte ihn zu seinem
»guten Aussehen«. Der Kranke schien auch selbst mehr Mut zu haben, wie
das eine Eigenheit der Schwindsüchtigen ist.
    Er war an den Fürsten mit der Absicht herangetreten, ihm eine
giftige Bemerkung über seine glückselige Miene zu machen, jedoch kam er
sogleich davon ab und begann von sich selbst zu reden. Er fing an zu
klagen und klagte viel und lange und ziemlich unzusammenhängend.
    »Sie glauben gar nicht«, sagte er zum Schluß, »was für reizbare,
kleinliche, egoistische, eitle und gewöhnliche Menschen sie dort alle
sind; sollten Sie es glauben, daß sie mich nur unter der Bedingung
aufgenommen haben, daß ich möglichst bald sterbe, und nun alle wütend
sind, weil ich noch nicht sterbe, sondern im Gegenteil mich besser
fühle? Es ist die reine Komödie! Ich möchte darauf wetten, daß Sie es
mir nicht glauben!«
    Der Fürst mochte ihm nicht widersprechen.
    »Ich denke sogar manchmal daran, wieder zu Ihnen überzusiedeln«,
fügte Ippolit in lässigem Ton hinzu. »Sie halten also diese Leute doch
nicht für fähig, einen Menschen unter der Bedingung aufzunehmen, daß er
bestimmt und möglichst bald stirbt?«
    »Ich glaubte, sie hätten Sie mit anderen Absichten eingeladen hinzuziehen.«
    »Aha! Sie sind gar nicht so einfältig, wie man von Ihnen behauptet!
Ich habe jetzt nur keine Zeit, sonst würde ich Ihnen über diesen Ganja
und seine Hoffnung ein Licht aufstecken. Man miniert gegen Sie, Fürst,
miniert gegen Sie

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