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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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Anspielung? Oh, das glaube ich Ihnen gern, ohne Zweifel!«
    Der Fürst lachte unstillbar.
    »Das ist sehr nett von Ihnen, daß Sie lachen. Ich sehe, daß Sie ein recht gutherziger junger Mann sind«, sagte die Generalin.
    »Manchmal bin ich nicht gutherzig«, erwiderte der Fürst.
    »Aber ich habe ein gutes Herz«, bemerkte die Generalin
überraschenderweise; »ich kann sogar sagen, daß ich immer gutherzig
bin, und das ist mein einziger Fehler; denn man darf nicht immer
gutherzig sein. Ich ärgere mich sehr oft über meine Töchter da, und
besonders über Iwan Fjodorowitsch; aber es ist schnurrig, daß ich
gerade, wenn ich mich ärgere, am allergutherzigsten bin. Ich war
vorhin, vor Ihrer An kunft, recht böse geworden und stellte mich, als
verstände ich nicht, was man zu mir sagte, und wolle es nicht
verstehen. Das kommt bei mir öfter vor; ich bin darin wie ein Kind.
Aglaja hat mich deswegen gescholten, und ich danke dir, Aglaja.
Übrigens ist das alles Unsinn. Ich bin nicht so dumm, wie ich scheine
und wie mich meine lieben Töchter gern darstellen möchten. Ich habe
einen energischen Charakter und halte mit meiner Meinung nicht hinter
dem Berg. Ich sage das übrigens alles ohne Groll. Komm her, Aglaja, und
gib mir einen Kuß ... nun, nun, genug der Zärtlichkeit!« bemerkte sie,
als Aglaja ihr herzlich den Mund und die Hand küßte. »Fahren Sie nur
fort, Fürst! Vielleicht erinnern Sie sich noch an etwas, was
interessanter ist als der Esel.«
    »Ich kann trotz alledem nicht begreifen, wie jemand so geradezu
loserzählen kann«, sagte Adelaida noch einmal. »Ich brächte das nicht
fertig.«
    »Aber der Fürst bringt es fertig, weil der Fürst eben überaus
verständig, mindestens zehnmal oder vielleicht zwölfmal so verständig
ist wie du. Hoffentlich fühlst du das nun selbst. Liefern Sie ihnen den
Beweis, Fürst; fahren Sie fort! Den Esel können wir nun aber wirklich
endlich beiseite lassen. Nun, was haben Sie außer dem Esel im Ausland
gesehen?«
    »Auch das von dem Esel war verständig«, sagte Alexandra. »Der Fürst
hat seinen Krankheitszustand sehr interessant geschildert, und wie ihm
infolge eines äußeren Anstoßes alles wieder zu gefallen anfing. Mir ist
es immer interessant gewesen, wie Menschen den Verstand verlieren und
dann wieder gesund werden. Namentlich wenn das plötzlich erfolgt.«
    »Nicht wahr? Nicht wahr?« sagte die Generalin eifrig. »Ich sehe, daß
auch du manchmal verständig bist. Na, nun habt ihr aber genug gelacht!
Sie blieben ja wohl bei dem landschaftlichen Eindruck der Schweiz
stehen, Fürst. Also bitte!«
    »Wir kamen in Luzern an und fuhren dann über den See. Ich empfand,
wie schön er war, fühlte mich aber dabei entsetzlich bedrückt«, sagte
der Fürst.
    »Warum?« fragte Alexandra.
    »Ich verstehe es nicht. Ich fühle mich beim ersten Anblick solcher
Naturschönheiten jedesmal bedrückt und unruhig; es ist eine aus
Vergnügen und Unruhe gemischte Empfindung. Übrigens hing das alles noch
mit meiner Krankheit zusammen.«
    »Ach, ich möchte das zu gern einmal sehen«, sagte Adelaida. »Und ich
begreife nicht, warum wir nicht endlich einmal ins Ausland reisen. Ich
kann schon seit zwei Jahren keinen Gegenstand für ein Bild finden:
    ›Ost und Süd sind längst geschildert ...‹
    Suchen Sie mir doch einen Gegenstand für ein Bild, Fürst!«
    »Ich verstehe davon nichts. Aber ich möchte mei nen: es ist weiter nichts erforderlich, als zu sehen und dann zu malen.«
    »Zu sehen verstehe ich eben nicht.«
    »Aber in was für Rätseln sprecht ihr denn da? Ich verstehe euch ja
gar nicht!« unterbrach die Generalin sie. »Was heißt das: ›Zu sehen
verstehe ich nicht?‹ Du hast doch Augen; nun, dann sieh doch! Wenn du
hier nicht zu sehen verstehst, wirst du es auch im Ausland nicht
lernen. Erzählen Sie lieber, was Sie selbst gesehen haben, Fürst!«
    »Ja, das wird das beste sein«, stimmte ihr Adelaida bei.
    »Der Fürst hat ja im Ausland sehen gelernt.«
    »Das weiß ich nicht; ich habe dort nur meine Gesundheit gebessert;
ich weiß nicht, ob ich da auch sehen gelernt habe. Ich bin übrigens
dort fast die ganze Zeit über sehr glücklich gewesen.«
    »Glücklich! Sie verstehen es, glücklich zu sein?« rief Aglaja.
»Warum sagen Sie dann, daß Sie da nicht sehen gelernt haben? Sie werden
in dieser Kunst noch unser Lehrer werden!«
    »Ach ja, bitte, lehren Sie uns!« rief Adelaida lachend.
    »Ich vermag Sie nichts zu lehren«, versetzte der Fürst, gleichfalls
lachend. »Ich

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