Der Idiot
Eid leistete:
»Ich werde nicht trinken!«
Dann trat er an den Fürsten heran, schloß ihn kräftig in die Arme,
schüttelte ihm beide Hände und erklärte, er habe allerdings zu Anfang,
als er von der Sache gehört habe, eine feindliche Stellung dagegen
eingenommen und das auch beim Billard ausgesprochen, und zwar aus
keinem andern Grund, als weil er dem Fürsten keine andere als eine
Prinzessin de Rohan oder mindestens de Chabot zugedacht und mit der
Ungeduld eines Freundes täglich auf die Verwirklichung dieses Planes
gewartet habe; aber jetzt sehe er selbst, daß der Fürst eine mindestens
zwölfmal so edle Gesinnung habe als sie »alle zusammen«! Denn er strebe
nicht nach Glanz, nicht nach Reichtum, nicht einmal nach äußerer Ehre,
sondern nur nach der Wahrheit! Die Herzensneigungen hochgestellter
Persönlichkeiten würden eben durchschaut, und der Fürst stehe durch
seine Bildung zu hoch, als daß man ihn nicht zu den hochgestellten
Persönlichkeiten, allgemein gesagt, rechnen müßte! »Aber der Pöbel und
dieses ganze Gesindel urteilen anders; in der Stadt, in den Häusern, in
den Gesellschaften, in den Villen, beim Konzert, in den Trinkstuben und
beim Billard hört man über nichts anderes reden und spektakeln als über
das bevorstehende Ereignis. Ich habe gehört, daß man Ihnen sogar unter
den Fenstern eine Katzenmusik bringen will, und zwar in der
Hochzeitsnacht! Wenn Sie, Fürst, die Pistole eines ehrenhaften Mannes
nötig haben, so bin ich erbötig, ein halbes Dutzend Schüsse mit diesem
Volk zu wechseln, bevor Sie sich am andern Morgen vom Hochzeitslager
erheben.« Er riet auch, um dem großen Andrang Neugieriger
entgegenzuwirken, bei der Rückkehr von der Kirche auf dem Hof eine
Feuerspritze bereitzuhalten; aber Lebedjew protestierte dagegen: »Die
Feuerspritze würde die Ursache werden, daß sie mir das ganze Haus
demolierten.«
»Dieser Lebedjew intrigiert gegen Sie, Fürst, bei Gott! Man will Sie
unter Kuratel stellen, können Sie sich das denken? Sie mit allem, was
drum und dran ist, mit Ihrem freien Willen und mit Ihrem Geld, das
heißt mit den beiden Dingen, durch die sich ein jeder von uns von einem
Vierfüßler unterscheidet! Ich habe es gehört, aus zuverlässiger Quelle
gehört! Es ist die reine Wahrheit!«
Der Fürst erinnerte sich, selbst schon etwas Derartiges gehört, aber
selbstverständlich nicht weiter beachtet zu haben. Er lachte auch jetzt
nur darüber und vergaß es sofort wieder. Lebedjew war wirklich eine
Zeitlang in dieser Richtung tätig gewesen; die Spekulationen dieses
Menschen gingen immer sozusagen aus einer plötzlichen Eingebung hervor;
infolge seines Übereifers komplizierten sie sich dann, verzweigten sich
und entfernten sich von dem ursprünglichen Ausgangspunkt nach allen
Seiten; das war der Grund, weshalb ihm in seinem Leben nur weniges
gelang. Als er dann, erst kurz vor dem Hochzeitstag, zum Fürsten
beichten kam (er hatte die feststehende Gewohnheit, immer demjenigen zu
beichten, gegen den er intrigierte, namentlich wenn seine Intrige nicht
glückte), da erklärte er ihm, er sei ein geborener Talleyrand, und es
sei unbegreiflich, weshalb er nur ein Lebedjew geblieben sei. Dann
deckte er ihm sein ganzes Spiel auf, wodurch er das lebhafte Interesse
des Fürsten erweckte. Nach seiner Mitteilung hatte er mit dem Versuch
begonnen, sich die Protektion hochstehender Persönlichkeiten zu
verschaffen, um sich im Notfall auf dieselben zu stützen, und war zum
General Iwan Fjodorowitsch gegangen. General Iwan Fjodorowitsch war
erstaunt; er wünsche, sagte er, dem jungen Mann alles Gute; aber trotz
seines lebhaften Wunsches, ihn zu retten, sei es doch für ihn nicht
passend, hierbei mitzuwirken. Lisaweta Prokofjewna wollte ihn weder
sehen noch hören; Jewgeni Pawlowitsch und Fürst Schtsch. beschränkten
sich auf abweisende Handbewegungen. Aber Lebedjew verlor nicht den Mut,
sondern befragte einen klugen Juristen, einen achtungswerten alten
Mann, der mit ihm befreundet und beinah sein Wohltäter war; dieser war
der Meinung, die Sache lasse sich sehr wohl durchführen, wenn sich
kompetente Zeugen für die geistige Zerrüttung und völlige Gestörtheit
finden ließen; die Hauptsache sei dann noch Protektion seitens
hochgestellter Personen. Auch jetzt verzagte Lebedjew nicht und brachte
einmal sogar einen Arzt zum Fürsten, ebenfalls einen achtungswerten
alten Mann, einen Sommerfrischler mit dem Anna-Orden am Hals, einzig
und allein, damit dieser sozusagen das Terrain
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