Der Idiot
ist ... Übrigens aber ... Verzeihen Sie, Herr
Ferdyschtschenko!«
»Fangen Sie an, Ferdyschtschenko! Sie schwatzen schrecklich viel
unnützes Zeug und werden nie zu Ende kommen!« befahl Nastasja
Filippowna gereizt und ungeduldig.
Alle bemerkten, daß sie nach ihrem anfallartigen Lachen von vorhin
plötzlich geradezu düster, mürrisch und reizbar geworden war; aber
nichtsdestoweniger bestand sie hartnäckig und despotisch darauf, daß
ihrer absurden Laune gehorcht werde. Afanasi Iwanowitsch litt arge
Qual. Er war auch auf Iwan Fjodorowitsch wütend, der, als wäre nichts
geschehen, beim Champagner saß und vielleicht sogar etwas zu erzählen
beabsichtigte, wenn er an die Reihe kommen würde.
XIV
»Ich bin eben nicht geistreich, Nastasja Filippowna; daher schwatze
ich unnützes Zeug!« rief Ferdyschtschenko und schickte sich an zu
erzählen. »Wäre ich so geistreich wie Afanasi Iwanowitsch oder Iwan
Petrowitsch, so würde ich heute wie diese beiden Herren schweigend
dasitzen. Gestatten Sie eine Frage, Fürst: wie denken Sie darüber? Ich
bin der Meinung, daß es auf der Welt weit mehr Diebe gibt als Leute,
die keine Diebe sind, und daß es keinen so ehrenhaften Menschen gibt,
der nicht wenigstens einmal in seinem Leben etwas gestohlen hätte. Das
ist meine Anschauung, aus der ich übrigens keineswegs den Schluß ziehe,
daß alle ohne Ausnahme Diebe sind, obwohl ich wirklich manchmal die
größte Lust hätte, das daraus zu folgern. Wie denken Sie darüber?«
»Pfui, wie dumm reden Sie!« rief Darja Alexejewna, »und was ist das
für Unsinn! Es ist undenkbar, daß alle Menschen etwas gestohlen haben
sollten; ich habe nie etwas gestohlen.«
»Sie haben nie etwas gestohlen, Darja Alexejewna; aber was wird der Fürst sagen, der auf einmal ganz rot geworden ist?«
»Es scheint mir, daß Sie recht haben, aber stark übertreiben«,
versetzte der Fürst, der tatsächlich aus nicht recht ersichtlichem
Grunde errötet war.
»Und Sie selbst, Fürst, haben nichts gestohlen?«
»Pfui, wie lächerlich das alles ist! Besinnen Sie sich, Herr
Ferdyschtschenko, was Sie da reden!« mischte sich der General hinein.
»Die Sache ist einfach die: nun es soweit ist, schämen Sie sich zu
erzählen, und darum wollen Sie den Fürsten mit sich zusammenkuppeln, um
so mehr, da er so dienstfertig ist«, schalt Darja Alexejewna.
»Ferdyschtschenko, entweder erzählen Sie oder schweigen Sie, und
beschränken Sie Ihre Menschenkenntnis auf Ihre eigene Person! Sie
erschöpfen die größte Geduld«, sagte Nastasja Filippowna in scharfem,
ärgerlichem Ton.
»Sofort, Nastasja Filippowna! Wenn sogar der Fürst es eingestanden
hat (denn ich bleibe dabei: der Fürst hat es so gut wie eingestanden),
was würde dann erst ein anderer (ich nenne keinen Namen) sagen,
vorausgesetzt, daß er die Wahrheit reden will? Was nun mich betrifft,
so habe ich eigentlich nichts weiter zu erzählen; die Sache ist sehr
einfach, sehr dumm und sehr häßlich. Aber ich gebe Ihnen die
Versicherung, daß ich kein Dieb bin; ich habe gestohlen, ohne zu
wissen, wie ich dazu gekommen bin. Es war vor zwei Jahren, in der
Sommerfrische bei Semjon Iwanowitsch Ischtschenko, an einem Sonntag. Es
waren bei ihm Gäste zum Mittagessen. Nach Tisch blieben die Herren beim
Wein zusammensitzen. Da kam mir der Gedanke, sein Töchterchen, Fräulein
Marja Semjonowna, zu bitten, ob sie uns nicht etwas auf dem Klavier
vorspielen wolle. Ich gehe durch ein Eckzimmer, und da liegt auf Marja
Iwanownas Nähtisch ein grüner Dreirubelschein; sie hatte ihn
herausgelegt, um ihn zu irgendeinem Zweck in der Wirtschaft auszugeben.
Im Zimmer war kein Mensch. Ich nahm den Schein und steckte ihn in die
Tasche; warum ich das tat, das weiß ich nicht. Es ist mir
unverständlich, was über mich gekommen war. Aber ich kehrte so schnell
wie möglich zurück und setzte mich wieder an den Tisch. Ich saß nun in
ziemlich starker Aufregung da und wartete, schwatzte ohne Unterlaß,
erzählte Anekdoten und lachte; dann setzte ich mich zu den Damen. Nach
etwa einer halben Stunde wurde die Banknote vermißt, und man begann,
die Dienstmädchen danach zu fragen. Der Verdacht fiel auf eines
derselben, Darja. Ich bekundete ein lebhaftes Interesse und eine starke
Teilnahme, und ich weiß noch, als Darja ganz fassungslos war, da redete
ich ihr sogar zu, sie möge ihre Schuld eingestehen, indem ich mich ihr
gegenüber mit meinem Kopf für Marja Iwanownas gütige Nachsicht
verbürgte; und das alles sagte ich laut vor aller
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