Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
Vom Netzwerk:
Ohren. Alle wohnten
dieser Szene bei, und ich empfand ein besonderes Vergnügen bei dem
Gedanken, daß ich da Moral predigte und die Banknote in meiner Tasche
steckte. Diese drei Rubel vertrank ich gleich an demselben Abend in
einem Restaurant. Ich ging hinein und ließ mir eine Flasche Lafitte
geben; ich hatte vorher nie so bloß eine Flasche Wein getrunken, ohne
etwas dazu zu essen; es lag mir daran, das Geld möglichst schnell
auszugeben. Besondere Gewissensbisse habe ich weder damals noch später
verspürt. Ein zweites Mal würde ich das aller Wahrscheinlichkeit nach
nicht wieder tun; Sie können mir das glauben oder nicht, ganz wie Sie
wollen; ich habe kein Interesse daran. Na, das ist die ganze
Geschichte.«
    »Aber das ist gewiß noch nicht Ihre schlechteste Handlung«, sagte Darja Alexejewna voll Abscheu.
    »Das ist eine seelische Verirrung, keine Handlung«, bemerkte Afanasi Iwanowitsch.
    »Und was geschah mit dem Dienstmädchen?« fragte Nastasja Filippowna, ohne ihren hochgradigen Ekel verbergen zu wollen.
    »Das Dienstmädchen wurde natürlich gleich am andern Tag weggejagt. In jenem Haus wurde streng auf Ordnung gehalten.«
    »Und Sie haben das zugelassen?«
    »Na, das ist nett! Ich hätte wohl hingehen und mich angeben sollen?«
kicherte Ferdyschtschenko, der übrigens durch den sehr unangenehmen
Eindruck, den seine Erzählung bei allen hervorgerufen hatte,
einigermaßen überrascht war.
    »Wie schmutzig das ist!« rief Nastasja Filippowna.
    »Pah, Sie wollen von jemand seine häßlichste Handlung hören und
verlangen dabei, daß sie rein und sauber sein soll! Die häßlichen
Handlungen sind immer sehr schmutzig, Nastasja Filippowna; das werden
wir sofort von Iwan Petrowitsch hören. Viele solcher Handlungen glänzen
ja freilich nach außen und möchten als Tugend erscheinen, weil der
Betreffende eine eigene Equipage hat. Gar mancher hat eine eigene
Equipage; aber mit welchen Mitteln ...«
    Kurz gesagt, Ferdyschtschenko vermochte sich nicht zu beherrschen
und wurde plötzlich boshaft, so daß er sich vergaß und das Maß
überschritt; sogar sein Gesicht verzerrte sich ganz.
    Wie seltsam es auch scheinen mag, so mochte er doch eine ganz andere
Wirkung von seiner Erzählung erwartet haben. Solche »Schwupper« gegen
den guten Ton und solche »eigenartige Renommage«, wie Tozki das genannt
hatte, begegneten ihm recht oft und lagen durchaus in seinem Charakter.
    Nastasja Filippowna bebte ordentlich vor Zorn und blickte
Ferdyschtschenko unverwandt an; dieser wurde sogleich ängstlich und
verstummte; ja, es überlief ihn geradezu kalt vor Schreck; er merkte,
daß er zu weit gegangen war.
    »Wollen wir nicht lieber ganz damit aufhören?« fragte Afanasi Iwanowitsch schlau.
    »Ich bin an der Reihe; aber ich mache von dem Recht auf Dispensation
Gebrauch und werde nicht erzählen«, erklärte Ptizyn in entschiedenem
Ton.
    »Sie wollen nicht?«
    »Ich kann es nicht, Nastasja Filippowna; und ich halte überhaupt ein solches Gesellschaftsspiel für ein Ding der Unmöglichkeit.«
    »Dann kommen ja wohl Sie daran, General«, wandte sich Nastasja
Filippowna an diesen. »Sollten auch Sie sich weigern, dann wird auch
aus unserm ganzen weiteren Spiel nichts werden, und das würde mir leid
tun, da ich beabsichtige, zum Schluß etwas aus meinem eigenen Leben
mitzuteilen, es aber erst nach Ihnen und Afanasi Iwanowitsch tun
wollte, weil Sie beide mir Mut machen müssen«, schloß sie lachend.
    »Oh, wenn Sie versprechen, sich ebenfalls zu beteiligen«, rief der
General eifrig, »dann bin ich bereit, Ihnen meinetwegen meine ganze
Lebensgeschichte vorzutragen; aber ich muß bekennen, ich habe in der
Erwartung, daß ich an die Reihe kommen würde, mir bereits ein
Geschichtchen zurechtgelegt ...«
    »Schon allein aus der Miene Seiner Exzellenz kann man abnehmen, mit
welcher Autorenfreude er sein Geschichtchen ausgearbeitet hat«,
erlaubte sich der immer noch etwas verlegene Ferdyschtschenko mit
boshaftem Lächeln zu bemerken. Nastasja Filippowna warf dem General
einen flüchtigen Blick zu und lächelte ebenfalls vor sich hin. Aber es
war deutlich, daß ihre Verstimmung und Gereiztheit immer mehr wuchsen.
Afanasi Iwanowitsch bekam einen gewaltigen Schreck, als er sie eine
Erzählung in Aussicht stellen hörte.
    »Meine Herrschaften, wie jedem Menschen, ist es auch mir in meinem
Leben passiert, nicht sehr löbliche Handlungen zu begehen«, begann der
General; »wunderlicherweise aber halte ich selbst das kurze
Geschichtchen, das

Weitere Kostenlose Bücher