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Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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sich in schrecklicher Wut von ihm getrennt; und sogar mit dem Fürsten hatte es eine Szene gegeben. Kolja hatte den Fürsten um Aufklärung gebeten und war schließlich auf die Vermutung gekommen, daß auch dieser ihm irgend etwas nicht sagen wolle. Wenn wirklich, wie Ganja mit größter Bestimmtheit annahm, ein besonderes Gespräch zwischen Ippolit und Nina Alexandrowna stattgefunden hatte, so war es doch merkwürdig, daß dieser boshafte Herr, den Ganja so geradezu eine Klatschschwester nannte, kein Vergnügen daran gefunden hatte, auch Kolja in derselben Weise aufzuklären. Gut möglich, daß er gar nicht ein boshafter »Bube« von der Art war, wie ihn Ganja in seinem Gespräch mit der Schwester geschildert hatte, sondern in anderer Weise boshaft; und er hatte auch Nina Alexandrowna eine gewisse von ihm gemachte Beobachtung wohl kaum einzig und allein zu dem Zweck mitgeteilt, »ihr das Herz zu zerreißen«. Wir wollen nicht vergessen, daß die Motive der menschlichen Handlungen gewöhnlich unendlich viel komplizierter und mannigfaltiger sind, als wir nachher immer glauben, und sich nur selten mit Sicherheit angeben lassen. Für den Erzähler ist es manchmal das beste, sich auf die einfache Darlegung der Tatsachen zu beschränken. So wollen wir auch bei der weiteren Darstellung der über den General hereingebrochenen Katastrophe verfahren; denn trotz alles Widerstrebens sehen wir uns entschieden in die Notwendigkeit versetzt, auch dieser Nebenfigur unserer Erzählung etwas mehr Aufmerksamkeit und Platz zuzugestehen, als wir bisher beabsichtigten.
    Die Ereignisse waren einander in nachstehender Ordnung gefolgt.
    Als Lebedjew von seiner Fahrt nach Petersburg, bei der er Nachforschungen nach Ferdyschtschenko hatte anstellen wollen, noch an demselben Tag mit dem General zusammen zurückgekehrt war, da hatte er dem Fürsten nichts Besonderes mitgeteilt. Wäre der Fürst in jener Zeit nicht durch andere für ihn sehr wichtige Dinge abgelenkt und in Anspruch genommen worden, so hätte er bald bemerken müssen, daß auch an den beiden darauffolgenden Tagen Lebedjew ihm nicht nur keine Aufklärungen gab, sondern sogar im Gegenteil aus irgendeinem Grund einem Zusammentreffen mit ihm aus dem Weg ging. Als der Fürst schließlich doch darauf aufmerksam wurde, wunderte er sich darüber, daß an diesen beiden Tagen bei zufälligen Begegnungen Lebedjew, wie er sich erinnerte, stets in der heitersten Stimmung und fast immer mit dem General zusammen gewesen war. Die beiden Freunde trennten sich keine Minute mehr. Der Fürst hörte mitunter lautes, eifriges Gespräch, das zu ihm von oben herunterklang, und lachendes, munteres Disputieren; einmal sehr spät abends schlugen sogar plötzlich und unerwartet die Töne eines soldatischen Trinkliedes an sein Ohr, und er erkannte sofort die heisere Baßstimme des Generals. Aber das angestimmte Lied kam nicht recht in Gang und verstummte plötzlich wieder. Dann setzte sich ungefähr noch eine Stunde lang ein sehr lebhaftes Gespräch fort; nach allen Anzeichen zu urteilen, waren die Redenden bereits betrunken. Man konnte erraten, daß die beiden Freunde, die sich da oben vergnügten, einander umarmten und schließlich einer von ihnen zu weinen anfing. Dann folgte auf einmal ein heftiger Streit, der ebenfalls bald wieder verstummte. Diese ganzen Tage über befand sich Kolja in besonders sorgenvoller Stimmung. Der Fürst war größtenteils nicht zu Hause und kehrte manchmal erst sehr spät zurück; dann wurde ihm immer gemeldet, Kolja habe ihn den ganzen Tag gesucht und nach ihm gefragt. Aber bei Begegnungen vermochte Kolja nichts Besonderes zu sagen, außer daß er mit dem General und dessen jetziger Aufführung sehr unzufrieden sei: »sie treiben sich herum, betrinken sich nicht weit von hier in einer Schenke, umarmen und zanken sich auf der Straße, ärgern sich wechselseitig und können sich doch nicht voneinander trennen.« Als der Fürst ihm erwiderte, daß das auch früher fast täglich dieselbe Geschichte gewesen sei, wußte Kolja nicht, was er darauf antworten und wie er erklären solle, weswegen er sich eigentlich jetzt so beunruhige.
    An dem Morgen nach dem Trinklied und dem Streit wollte der Fürst gegen elf Uhr gerade ausgehen, als plötzlich der General in großer Aufregung bei ihm erschien.
    »Ich habe lange nach einer Gelegenheit gesucht, wo ich die Ehre haben könnte, Sie zu sprechen, hochverehrter Ljow Nikolajewitsch, schon lange, sehr lange«, murmelte er und drückte dem

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