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Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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lassen Sie ihn nur seine Dummheit begehen!«
    »Was machen Sie denn für Streiche? Wo wollen Sie denn hin?« rief Ganja aus dem Fenster. »Sie können ja nirgends hingehen!«
    »Kommen Sie wieder zurück, Papa!« rief Warja. »Die Nachbarn werden aufmerksam.«
    Der General blieb stehen, wandte sich um, streckte den Arm aus und schrie:
    »Mein Fluch komme über dieses Haus!«
    »Anders als in diesem Theaterton kann er gar nicht reden!« murmelte Ganja und schlug das Fenster zu.
    Die Nachbarn hörten wirklich zu. Warja lief aus dem Zimmer. Als Warja hinausgegangen war, nahm Ganja den Zettel vom Tisch, küßte ihn, schnalzte mit der Zunge und machte einen kleinen Luftsprung.
     
Fußnoten
     
    1 Hauptmann heißt im Russischen Kapitan, was hier zu einer Verwechslung mit dem Namen Kapiton führt. (A.d.Ü.)
     
     
III
    Der Skandal mit dem General würde zu jeder andern Zeit spurlos im Sande verlaufen sein. Es waren auch früher schon bei ihm Fälle von plötzlicher Störrigkeit derselben Art vorgekommen, jedoch nur recht selten, da er, im allgemeinen gesagt, ein sehr friedlicher Mensch war und zur Gutherzigkeit neigte. Er hatte wohl hundertmal den Kampf mit der Verlotterung aufgenommen, die sich seiner in den letzten Jahren bemächtigt hatte. Er erinnerte sich dann plötzlich, daß er »der Vater der Familie« sei, versöhnte sich mit seiner Frau und vergoß aufrichtige Tränen. Er verehrte Nina Alexandrowna bis zur Vergötterung zum Dank dafür, daß sie ihm so vieles schweigend verzieh und ihn trotz seines clownhaften, unwürdigen Benehmens immer noch liebte. Aber dieser hochherzige Kampf mit der Verlotterung dauerte gewöhnlich nicht lange; der General war doch eine zu »impulsive« Natur, wenigstens in seiner Art; er konnte gewöhnlich das ruhige Büßerleben in seiner Familie nicht ertragen und revoltierte schließlich dagegen; er geriet dann in einen heftigen Zorn, über den er sich vielleicht selbst im gleichen Augenblick Vorwürfe machte; aber er konnte es eben nicht aushalten: er fing Streit an, begann hochmütige, pathetische Reden zu führen, verlangte seiner Person gegenüber einen maßlosen, ganz unmöglichen Respekt und verschwand schließlich aus dem Haus, manchmal sogar auf lange Zeit. In den letzten zwei Jahren hatte er von den Angelegenheiten seiner Familie nur ganz allgemeine Kenntnis, und nur vom Hörensagen; sich näher darum zu kümmern, hatte er aufgehört, da er dazu nicht die geringste Lust verspürte.
    Aber dieses Mal war bei dem Skandal mit dem General etwas Besonderes hervorgetreten; alle schienen etwas zu wissen, wovon sie sich zu reden scheuten. Der General war erst drei Tage vorher bei der Familie, das heißt bei Nina Alexandrowna, »formell« wieder erschienen, aber nicht in der demütigen, reuigen Stimmung, in der er sich in früheren Fällen immer »zurückzumelden« pflegte, sondern im Gegenteil in außerordentlich reizbarer Verfassung. Er war redselig und unruhig, knüpfte mit jedem, der ihm in den Weg kam, ein eifriges Gespräch an, indem er sich ordentlich auf die Menschen stürzte, redete aber dabei immer über so bunte, unerwartete Themata, daß man gar nicht begreifen konnte, was ihn eigentlich jetzt so aufregte. Zeitweilig war er heiter, meist aber nachdenklich, ohne daß er übrigens selbst gewußt hätte, worüber er nachdachte; auf einmal begann er etwas zu erzählen, von Jepantschins, vom Fürsten, von Lebedjew, brach dann aber plötzlich wieder ab, hörte gänzlich auf zu reden, antwortete auf weitere Fragen nur mit einem stumpfsinnigen Lächeln, ohne übrigens zu bemerken, daß er gefragt wurde, und daß er lächelte. Die letzte Nacht hatte er ächzend und stöhnend verbracht und seine Frau damit halb totgequält, die ihm die ganze Nacht über heiße Umschläge gemacht hatte; erst gegen Morgen war er eingeschlafen, hatte vier Stunden lang geschlafen und war in einem Anfall von sehr starker, seltsamer Hypochondrie erwacht, die dann dazu führte, daß er mit Ippolit in Streit geriet und einen »Fluch über dieses Haus« aussprach. Es war auch aufgefallen, daß er in diesen drei Tagen beständig ein sehr starkes Ehrgefühl bekundete und infolgedessen ungewöhnlich empfindlich war.
    Kolja allerdings behauptete der Mutter gegenüber beharrlich, das sei alles nur Sehnsucht nach Spirituosen und vielleicht nach Lebedjew, mit dem sich der General in der letzten Zeit außerordentlich angefreundet hatte. Aber drei Tage vorher hatte er sich mit Lebedjew auf einmal heftig gezankt und

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