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Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Redeweise und dieses würdevolle Wesen vielleicht nur ein prächtiges Kunstprodukt seien. Die Mehrzahl der Gäste bestand sogar trotz ihres blendenden Äußern aus ziemlich hohlen Menschen, die übrigens in ihrer Selbstzufriedenheit selbst nicht einmal wußten, daß manches, was sie gutes an sich hatten, nur ein Kunstprodukt war, das ihnen zudem gar nicht als Verdienst angerechnet werden konnte, da es ihnen unbewußt und durch Erbschaft zugefallen war. Dem Fürsten, der ganz im Banne des entzückenden ersten Eindrucks stand, lag es fern, so etwas zu vermuten. Er sah zum Beispiel, daß dieser alte Herr, dieser hohe Würdenträger, der dem Lebensalter nach sein Großvater hätte sein können, sogar sein eigenes Gespräch abbrach, um ihm, einem so jungen, unerfahrenen Menschen, zuzuhören, und daß er ihm nicht nur zuhörte, sondern auch offenbar auf seine Meinung Wert legte und ihn mit solcher Freundlichkeit, mit solcher aufrichtigen Herzlichkeit behandelte, obwohl sie doch einander fremd waren und sich zum erstenmal sahen. Vielleicht wirkte gerade das Raffinement dieser Höflichkeit auf die warme Empfänglichkeit des Fürsten am allermeisten. Vielleicht hatte auch von vornherein seine persönliche Stimmung die Wirkung, ihn für einen günstigen Eindruck zu disponieren und ihn gewissermaßen zu bestechen.
    Und dabei waren alle diese Menschen, wenn sie auch natürlich »Freunde des Hauses« und untereinander befreundet waren, doch keineswegs mit der Familie und unter sich in der Weise befreundet, wie es der Fürst annahm, nachdem er ihnen soeben vorgestellt war und ihre Bekanntschaft gemacht hatte. Es waren Leute darunter, die nie und um keinen Preis zugestanden hätten, daß die Jepantschins mit ihnen auch nur annähernd auf gleicher Stufe ständen. Es waren auch Leute anwesend, die einander entschieden haßten; die alte Bjelokonskaja empfand lebenslänglich eine starke Geringschätzung gegen die Gemahlin des alten Würdenträgers, und diese war ihrerseits weit davon entfernt, Lisaweta Prokofjewna zu lieben. Dieser Würdenträger, ihr Mann, der das Jepantschinsche Ehepaar seit dessen jungen Jahren aus irgendeinem Grund protegiert hatte und jetzt bei der Abendgesellschaft als der vornehmste Gast galt, war in Iwan Fjodorowitschs Augen eine so hohe Person, daß er in Gegenwart desselben kein anderes Gefühl als Ehrerbietung und Furcht empfinden konnte, und sich sogar aufrichtig verachtet hätte, wenn er sich auch nur einen Augenblick lang ihm gleichgestellt und ihn nicht für einen olympischen Jupiter gehalten hätte. Es waren Leute da, die einander jahrelang nicht gesehen hatten und gegeneinander nichts als Gleichgültigkeit, wenn nicht Abneigung, empfanden, aber sich jetzt begrüßten, als ob sie sich erst gestern in einer angenehmen Gesellschaft von Freunden gesehen hätten. Übrigens war diese Abendgesellschaft nicht zahlreich. Außer der alten Bjelokonskaja und dem alten Würdenträger, der wirklich eine wichtige Persönlichkeit war, und seiner Gattin war erstens noch ein sehr bejahrter General da, ein Baron oder Graf mit einem deutschen Namen, ein außerordentlich schweigsamer Mensch, der in dem Ruf stand, eine erstaunliche Kenntnis der Regierungsangelegenheiten zu besitzen und sogar beinah ein Gelehrter zu sein, einer jener olympischen Verwaltungsbeamten, die alles kennen, vielleicht mit einziger Ausnahme von Rußland selbst, ein Mann, der alle fünf Jahre einen »durch seine Tiefe bemerkenswerten Ausspruch« tat, einen Ausspruch, der dann unfehlbar ein geflügeltes Wort und sogar in den allerhöchsten Regionen bekannt wurde; einer jener regierenden Beamten, die gewöhnlich nach einer sehr langen (sogar manchmal erstaunlich langen) Dienstzeit in hohem Rang und in vorzüglichen Stellen und im Besitz großer Geldmittel sterben, obwohl sie keine großen Taten vollbracht und sogar gegen große Taten eine gewisse Feindschaft an den Tag gelegt haben. Dieser General war Iwan Fjodorowitschs unmittelbarer Vorgesetzter im Dienst, und Iwan Fjodorowitsch erachtete ihn vermöge der warmen Dankbarkeit seines Herzens und sogar aus besonderem Ehrgeiz ebenfalls für seinen Wohltäter, obwohl dieser sich ganz und gar nicht als Iwan Fjodorowitschs Wohltäter betrachtete, zwar mit Vergnügen von seinen mannigfachen Diensten Gebrauch machte, aber sich gegen ihn ganz gleichgültig verhielt und ihn sofort durch einen andern Beamten ersetzt haben würde, wenn irgendwelche Erwägungen, die gar nicht einmal »höhere Erwägungen« zu sein

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