Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
Vom Netzwerk:
»beleidigt«, daß er so laut und öffentlich bei ihm dieselbe Krankheit voraussetzte, gegen die er selbst in der Schweiz eine Kur gebraucht hatte, sondern er hatte ihm auch das Angebot der eigentlich für eine Schule bestimmten zehntausend Rubel seiner Meinung nach in einer plumpen, unvorsichtigen Weise gemacht, namentlich insofern, als er es vor allen Leuten mit lauten Worten getan hatte. ›Ich hätte warten und es ihm morgen unter vier Augen anbieten müssen‹, dachte der Fürst sogleich, ›aber das ist jetzt wohl nicht mehr gutzumachen! Ja, ich bin ein Idiot, ein richtiger Idiot!‹ sagte er sich in einem Anfall von Scham und aufrichtiger Betrübnis.
    Inzwischen war Gawrila Ardalionowitsch, der sich bis dahin abseits gehalten und beharrlich geschwiegen hatte, auf des Fürsten Aufforderung vorgetreten, hatte sich neben ihn gestellt und begann nun ruhig und klar über die Ausführung des ihm vom Fürsten erteilten Auftrages Bericht zu erstatten. Alle Gespräche waren augenblicklich verstummt. Alle hörten höchst gespannt zu, namentlich Burdowskijs ganzes Gefolge.

IX
    »Sie werden gewiß nicht leugnen«, begann Gawrila Ardalionowitsch, sich speziell an Burdowskij wendend, der mit größter Anstrengung zuhörte, ihn vor Erstaunen mit weit aufgerissenen Augen anstarrte und sich offenbar in höchster Verwirrung befand, »Sie werden und wollen gewiß nicht ernstlich leugnen, daß Sie genau zwei Jahre nach der Verheiratung Ihrer verehrten Mutter mit dem Kollegiensekretär Herrn Burdowskij, Ihrem Vater, geboren sind. Die Zeit Ihrer Geburt läßt sich sehr leicht dokumentarisch feststellen, so daß die für Sie und Ihre Mutter so beleidigende Entstellung dieser Tatsache in Herrn Kellers Artikel sich einzig und allein als ein Spiel der eigenen Phantasie dieses Herrn darstellt, der der Meinung war, dadurch die Evidenz Ihres Rechts zu erhöhen und so Ihren Interessen zu dienen. Herr Keller sagt, er habe Ihnen den Artikel vorher vorgelesen, wenn auch nicht ganz... ohne allen Zweifel hat er ihn Ihnen nicht bis zu dieser Stelle vorgelesen...«
    »Bis zu dieser Stelle allerdings nicht«, unterbrach ihn der Boxer, »aber alle Tatsachen waren mir von einer vertrauenswürdigen Persönlichkeit mitgeteilt worden, und ich...«
    »Verzeihen Sie, Herr Keller«, unterbrach ihn Gawrila Ardalionowitsch, »lassen Sie mich jetzt reden! Ich versichere Ihnen, daß wir zur gegebenen Zeit auch noch auf Ihren Artikel zu sprechen kommen werden, dann können Sie Ihre Erklärungen abgeben; jetzt aber wollen wir lieber der Reihe nach fortfahren. Ganz zufällig, durch Mithilfe meiner Schwester Warwara Ardalionowna Ptizyna, erhielt ich von ihrer intimen Freundin, der verwitweten Gutsbesitzerin Wera Alexejewna Subkowa, einen Brief des verstorbenen Nikolai Andrejewitsch Pawlischtschew, den dieser ihr vor vierundzwanzig Jahren aus dem Ausland geschrieben hatte. Nachdem ich mich mit Wera Alexejewna in Verbindung gesetzt hatte, wandte ich mich auf ihren Rat an den Oberst a. D. Timofej Fjodorowitsch Wjasowkin, einen entfernten Verwandten und seinerzeit sehr guten Freund des Herrn Pawlischtschew. Es gelang mir, von ihm noch zwei Briefe Nikolai Andrejewitschs zu erhalten, die ebenfalls aus dem Ausland geschrieben waren. Durch diese drei Briefe, ihr Datum und die darin enthaltenen tatsächlichen Angaben läßt sich mit zwingender Sicherheit, ohne daß irgendwelche Widerlegung oder auch nur ein Zweifel möglich wäre, beweisen, daß Nikolai Andrejewitsch damals ins Ausland gereist war (wo er sich ununterbrochen drei Jahre lang aufhielt), gerade anderthalb Jahre vor Ihrer Geburt, Herr Burdowskij. Ihre Mutter hat, wie Ihnen bekannt ist, Rußland nie verlassen... Im Augenblick werde ich diese Briefe nicht vorlesen, dazu ist es schon zu spät; ich weise nur für alle Fälle auf dieses Faktum hin. Aber wenn es Ihnen angenehm ist, Herr Burdowskij, eine Zusammenkunft in meiner Wohnung, meinetwegen gleich morgen früh, festzusetzen und Ihre Zeugen (in jeder beliebigen Anzahl) sowie Sachverständige zur Vergleichung der Handschrift mitzubringen, so hege ich nicht den geringsten Zweifel, daß Sie nicht werden umhinkönnen, sich von der evidenten Wahrheit der von mir mitgeteilten Tatsache zu überzeugen. Wenn dem aber so ist, so fällt selbstverständlich die ganze Sache zusammen und ist damit von selbst erledigt.«
    Wieder folgte eine allgemeine Bewegung und tiefgehende Unruhe. Burdowskij selbst stand plötzlich von seinem Stuhl auf.
    »Wenn es so ist, dann bin ich

Weitere Kostenlose Bücher