Der Idiot
Verlockung nicht widerstehen können und den Igel gekauft, so daß also sowohl der Igel als auch das Beil Eigentum jenes dritten Knaben seien, dem sie diese beiden Dinge nun an Stelle von Schlossers Weltgeschichte bringen wollten. Aber Aglaja habe ihnen so zugesetzt, daß sie schließlich nachgegeben und ihr den Igel verkauft hätten. Sowie Aglaja den Igel bekommen habe, habe sie ihn sogleich mit Koljas Hilfe in ein geflochtenes Körbchen gesetzt, mit einer Serviette zugedeckt und Kolja gebeten, ihn sogleich, ohne sich unterwegs irgendwo aufzuhalten, in ihrem Namen zum Fürsten zu bringen mit der Bitte, ihn als »ein Zeichen ihrer größten Hochachtung« anzunehmen. Kolja habe freudig eingewilligt und sein Wort gegeben, daß er ihn hinbefördern werde, aber sofort durchaus von ihr wissen wollen, was ein Igel oder ein ähnliches Geschenk bedeute. Aglaja habe ihm geantwortet, das gehe ihn nichts an. Er habe erwidert, er sei überzeugt, daß eine Allegorie dahinterstecke. Aglaja sei ärgerlich geworden und habe ihm in scharfem Ton geantwortet, er sei ein dummer Junge und weiter nichts. Kolja habe ihr daraufhin sofort erwidert, wenn er nicht in ihr die Frau achtete und außerdem seine Grundsätze hätte, so würde er ihr auf der Stelle beweisen, daß er auf solche Beleidigungen sehr wohl zu antworten verstehe. Die Sache habe übrigens damit geendet, daß Kolja doch mit Begeisterung davongegangen sei, um den Igel hinzubringen, und daß Kostja Lebedew hinter ihm hergelaufen sei. Als Aglaja gesehen habe, daß Kolja mit dem Körbchen zu sehr schlenkerte, habe sie ihm von der Veranda aus nachgerufen: »Bitte, Kolja, lassen Sie ihn nicht herausfallen, mein Täubchen!«, als ob sie sich kurz vorher überhaupt nicht mit ihm gezankt hätte; Kolja sei stehengeblieben und habe, ebenfalls, als ob er sich mit ihr nicht gezankt hätte, mit der größten Dienstbeflissenheit zurückgerufen: »Ich werde ihn schon nicht herausfallen lassen, Aglaja Iwanowna, seien Sie ganz unbesorgt!« und sei wieder spornstreichs weitergelaufen. Aglaja habe hierauf furchtbar gelacht, sei höchst zufrieden auf ihr Zimmer gegangen und dann den ganzen Tag über sehr lustig gewesen.
Durch diese Nachricht wurde Lisaweta Prokofjewna geradezu betäubt. Man könnte meinen: was war denn eigentlich vorgefallen? Aber sie war nun einmal in eine solche Stimmung hineingeraten. Ihre Unruhe stieg nun auf den höchsten Grad, und die Hauptsache war der Igel; was bedeutete der Igel? Was steckte dahinter? Was hatte das für einen geheimen Sinn? Was war das für ein Zeichen, was für ein Telegramm? Dazu kam noch, daß der arme Iwan Fjodorowitsch, der zufällig bei dem Verhör zugegen war, durch eine Antwort die ganze Sache vollständig verdarb. Seiner Meinung nach konnte von einem Telegramm überhaupt nicht die Rede sein, der Igel sei einfach ein Igel, weiter nichts, und bedeute vielleicht außerdem noch Freundschaft, Vergessen der Kränkungen, Versöhnung, kurz, das Ganze sei ein mutwilliger Streich, aber jedenfalls harmlos und verzeihlich.
In Klammern bemerken wir, daß er damit durchaus das Richtige getroffen hatte. Als der Fürst, von Aglaja verhöhnt und davongejagt, nach Hause zurückgekehrt war, hatte er schon eine halbe Stunde in der düstersten Verzweiflung dagesessen, als auf einmal Kolja mit dem Igel erschien. Sofort klärte sich der Himmel auf; der Fürst erstand gleichsam wieder von den Toten, fragte Kolja aus, klammerte sich an jedes Wort, das dieser sagte, erkundigte sich zehnmal nach derselben Sache, lachte wie ein Kind und drückte den beiden lachenden und ihn vergnügt anblickenden Knaben alle Augenblicke die Hände. Es war also klar, daß Aglaja ihm verzieh und er gleich heute abend wieder zu ihr gehen konnte, und das war für ihn nicht nur die Hauptsache, sondern geradezu alles.
»Was sind wir noch für Kinder, Kolja! Und... und... wie gut, daß wir noch Kinder sind!« rief er endlich entzückt aus.
»Es ist ganz einfach: sie ist in Sie verliebt, Fürst, weiter nichts!« antwortete Kolja nachdrücklich mit der Miene eines Sachverständigen.
Der Fürst wurde dunkelrot, erwiderte aber diesmal kein Wort, während Kolja nur lachte und in die Hände klatschte; einen Augenblick darauf fing auch der Fürst an zu lachen, und dann sah er bis zum Abend alle fünf Minuten nach der Uhr, ob schon viel Zeit vergangen und wieviel noch bis zum Abend übrig sei.
Aber für Lisaweta Prokofjewna war die Erregung doch zu stark; sie konnte sich schließlich nicht mehr
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