Der Idiot
mochten etwa zehn oder elf Jahre alt sein. Es ist in Ihren Gesichtszügen etwas, was bei mir eine Erinnerung wachruft...«
»Sie haben mich gesehen, als ich noch Kind war?« fragte der Fürst sehr erstaunt.
»Oh, es ist schon recht lange her«, fuhr Iwan Petrowitsch fort, »in Slatowerchowo, wo Sie damals bei meinen Kusinen lebten. Ich kam früher ziemlich oft nach Slatowerchowo, Sie erinnern sich meiner nicht? Se-ehr leicht möglich, daß Sie sich nicht erinnern... Sie hatten damals... Sie hatten damals irgendeine Krankheit, so daß ich einmal sogar Ihretwegen einen Schreck bekam...«
»Ich kann mich an nichts erinnern!« antwortete der Fürst eifrig.
Beide stellten nun mit noch ein paar Worten die Sache klar, Iwan Petrowitsch sehr ruhig, der Fürst sehr aufgeregt, und es ergab sich, daß die beiden alten Fräulein, die mit dem verstorbenen Pawlischtschew verwandt waren und auf seinem Gute Slatowerchowo lebten und seinerzeit von ihm mit der Erziehung des Fürsten betraut wurden, zugleich Iwan Petrowitschs Kusinen waren. Iwan Petrowitsch hatte ebensowenig wie alle andern Leute eine Erklärung dafür, weshalb Pawlischtschew so für den kleinen Fürsten, sein Pflegekind, gesorgt hatte. »Ich habe damals vergessen, mich danach zu erkundigen«, sagte er, aber es stellte sich doch heraus, daß er ein vorzügliches Gedächtnis hatte; denn er erinnerte sich, wie streng seine ältere Kusine, Marfa Nikitischna, gegen den kleinen Pflegling gewesen sei, »so daß ich einmal sogar mit ihr um Ihretwillen wegen des Erziehungssystems in Streit geriet, denn immer Schläge und Schläge für ein krankes Kind... das ist doch... das müssen Sie selbst sagen...«, und mit welcher Zärtlichkeit ganz im Gegensatz dazu die jüngere Kusine, Natalja Nikitischna, den armen Knaben behandelt habe... »Sie leben jetzt beide«, berichtete er weiter, »im Gouvernement *** (ich weiß nur nicht, ob sie zur Zeit wirklich noch leben), wo ihnen von Pawlischtschew ein sehr nettes kleines Gut durch Erbschaft zugefallen ist. Marfa Nikitischna beabsichtigte, wenn ich mich recht entsinne, in ein Kloster zu gehen; übrigens will ich es nicht behaupten, vielleicht habe ich es von jemand gehört... ja, ich hörte es neulich von der Frau eines Arztes...«
Die Augen des Fürsten glänzten vor Entzücken und Rührung, als er das hörte. Er erklärte seinerseits sehr eifrig, er werde es sich nie verzeihen, daß er in den sechs Monaten, während er in den inneren Gouvernements herumgereist sei, nicht die Gelegenheit benutzt habe, um seine früheren Pflegerinnen ausfindig zu machen und zu besuchen. Er habe alle Tage hinfahren wollen und sei immer durch Abhaltungen daran gehindert worden ... aber jetzt nehme er es sich fest vor... unbedingt... wenn es auch im Gouvernement *** sei... »Also Sie kennen Natalja Nikitischna? Was ist das für eine prächtige, fromme Seele! Aber auch Marfa Nikitischna... verzeihen Sie, aber Sie irren sich wohl in bezug auf Marfa Nikitischna! Sie war ja streng, aber... man mußte ja mit einem solchen Idioten, wie ich es damals war, notwendig die Geduld verlieren (hihi!). Ich war ja damals vollständig ein Idiot, Sie werden es kaum glauben können (haha!). Übrigens... übrigens, Sie haben mich damals gesehen und... sagen Sie nur, wie geht es zu, daß ich mich an Sie nicht erinnere? Also Sie... ach, mein Gott, also Sie sind wirklich ein Verwandter Nikolai Andrejewitsch Pawlischtschews?«
»Ja, ich ver-si-che-re es Ihnen!« erwiderte Iwan Petrowitsch, indem er den Fürsten lächelnd anblickte.
»Oh, ich sagte es ja nicht in dem Sinne, als ob ich... als ob ich daran zweifelte... und kann man denn etwa irgendwie daran zweifeln (hehe!)... auch nur im geringsten zweifeln? (Hehe!) Ich sagte es deshalb, weil der verstorbene Nikolai Andrejewitsch Pawlischtschew ein so vortrefflicher Mensch war! Ein hochherziger Mensch, wahrhaftig, ich versichere Sie!«
Der Fürst war nicht nur außer Atem, sondern »erstickte sozusagen an seinen schönen Empfindungen«, wie sich über ihn am andern Morgen Adelaida im Gespräch mit ihrem Bräutigam, dem Fürsten Schtsch., ausdrückte.
»Ach, mein Gott!« erwiderte Iwan Petrowitsch lachend, »warum sollte ich denn nicht sogar mit einem hoch-her-zi-gen Menschen verwandt sein können?«
»Ach, mein Gott!« rief der Fürst verlegen und hastig, er wurde immer lebhafter. »Ich... ich habe wieder eine Dummheit gesagt; aber... es ist eben nicht anders möglich, weil ich... ich... ich... Übrigens, das gehört wieder
Weitere Kostenlose Bücher