Der Idiot
verstanden, verschiedene Gelegenheiten gut auszunutzen, sich die Protektion hochgestellter Persönlichkeiten zu verschaffen und sich in ihrer Gunst zu behaupten. Er hatte einmal ein bedeutendes Werk eines bedeutenden deutschen Dichters in Versen aus dem Deutschen übersetzt, hatte es verstanden, seine Übersetzung einer geeigneten Person zu dedizieren, rühmte sich der Freundschaft mit einem angesehenen, aber bereits verstorbenen russischen Dichter (es gibt eine große Menge von Schriftstellern, die es außerordentlich lieben, in ihren Druckschriften von ihrer Freundschaft mit großen, aber verstorbenen Schriftstellern zu reden) und war erst ganz vor kurzem bei Jepantschins durch die Gattin des »alten Würdenträgers« eingeführt worden. Diese Dame galt als eine Gönnerin von Schriftstellern und Gelehrten und hatte tatsächlich einem oder zwei Schriftstellern durch Vermittlung hochgestellter Persönlichkeiten, bei denen sie Einfluß hatte, eine Pension verschafft. Und ein gewisses Ansehen besaß sie allerdings. Sie war eine Dame von ungefähr fünfundvierzig Jahren (also eine sehr junge Frau für einen so alten Mann, wie es ihr Gatte war), eine ehemalige Schönheit, die es infolge einer vielen fünfundvierzigjährigen Damen eigenen Manie liebte, sich immer noch sehr luxuriös zu kleiden; ihr Verstand war nicht bedeutend und ihre Literaturkenntnis sehr zweifelhaft. Aber Schriftsteller zu protegieren, war bei ihr eine ebensolche Manie, wie sich luxuriös zu kleiden. Es wurden ihr viele Werke und Übersetzungen gewidmet; zwei oder drei Schriftsteller ließen mit ihrer Erlaubnis die Briefe drucken, die sie ihr über sehr wichtige Gegenstände geschrieben hatten ... Und diese ganze Gesellschaft nahm der Fürst für bare Münze, für reinstes Gold ohne Legierung. Übrigens traf es sich, daß auch all diese Leute sich an diesem Abend in der glücklichsten Stimmung befanden und mit sich selbst sehr zufrieden waren. Sie wußten sämtlich, daß sie der Familie Jepantschin durch ihr Erscheinen eine große Ehre erwiesen. Aber leider ahnte der Fürst von diesen Finessen nichts. Es kam ihm zum Beispiel gar nicht der Gedanke, daß die Jepantschins es jetzt, wo sie einen so wichtigen Schritt wie die Entscheidung über das Lebensschicksal ihrer Tochter vorhatten, für ihre unerläßliche Pflicht hielten, ihn, den Fürsten Lew Nikolajewitsch, dem alten Würdenträger und anerkannten Protektor ihrer Familie, vorzustellen. Der alte Würdenträger würde zwar seinerseits sogar die Nachricht von dem furchtbarsten Unglück, das die Familie Jepantschin betroffen hätte, mit größter Seelenruhe hingenommen, sich aber unbedingt beleidigt gefühlt haben, wenn die Jepantschins ihre Tochter ohne seinen Rat und sozusagen ohne seine Erlaubnis verlobt hätten. Fürst N., dieser liebenswürdige, dieser zweifelsohne geistreiche und höchst offenherzige Mensch, war der felsenfesten Überzeugung, daß er so eine Art von Sonne sei, die an diesem Abend über dem Jepantschinschen Salon aufging. Er war der Ansicht, daß sie unendlich weit unter ihm stünden, und gerade dieser treuherzige, edle Gedanke erzeugte bei ihm jene bewundernswerte, liebenswürdige Ungezwungenheit und Freundlichkeit eben diesen Jepantschins gegenüber. Er wußte ganz genau, daß er an diesem Abend unbedingt etwas erzählen müsse, um die Gesellschaft in Entzücken zu versetzen, und bereitete sich hierauf mit einer gewissen Begeisterung vor. Als Fürst Lew Nikolajewitsch dann diese Erzählung mit angehört hatte, mußte er bekennen, daß er noch nie etwas Derartiges gehört hatte: dieser glänzende Humor, diese bewunderungswürdige Heiterkeit und Naivität, die im Mund eines Don Juan, wie Fürst N., beinah etwas Rührendes hatte, bezauberten ihn geradezu. Wenn er nur dabei gewußt hätte, wie alt und abgenutzt diese Erzählung schon war und daß der Vortragende sie bereits auswendig wußte und daß sie bereits in allen Salons den Hörern zum Überdruß geworden war und nur bei den harmlosen Jepantschins wieder als Neuigkeit erschien, als eine freimütige, geistvolle Erinnerung, die einem geistvollen, schönen Mann plötzlich eingefallen war! Sogar der deutsche Dichterling, der sich freilich sehr liebenswürdig und bescheiden benahm, war beinah der Ansicht, daß er diesem Haus durch seinen Besuch eine Ehre erweise. Aber der Fürst bemerkte nicht die Kehrseite der Medaille, bemerkte nicht das Unterfutter des schönen Gewandes. Dieses Unheil hatte Aglaja nicht vorhergesehen. Sie
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