Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
einen Kapitän und seine Crew. Ich habe sie heute alle zum erstenmal gesehen.«
»Und wohin wollen wir?«
»Wir machen eine Kreuzfahrt ins Blaue.«
Das Boot wurde langsamer, als von der Brücke der Kegel eines starken Scheinwerfers die Dunkelheit zerschnitt. Der Mafioso löste seinen Sicherheitsgurt, stand auf, überquerte das Deck und verschwand in der unteren Kabine. Kendrick hörte ihn an der Bordsprechanlage, doch Wind und Wellen waren so laut, daß er nicht verstehen konnte, was der andere sagte. Ein paar Augenblicke später war der Mann wieder da; in der Hand hielt er eine Waffe, einen Elf-Millimeter-Colt, Standardausführung. Die aufsteigende Panik unterdrückend, dachte Kendrick an die Haie von Katar und fragte sich, ob ein anderer Mahdi in diesem Teil der Welt das Todesurteil vollstrecken werde, das in Bahrein über ihn verhängt worden war? Für den Fall, daß es so war, faßte er den gleichen Entschluß wie damals: Er würde kämpfen. Besser eine schnelle Kugel in den Kopf, als die Aussicht zu ertrinken vor Augen – oder im Pazifik von Menschenhaien gefressen zu werden.
»Wir sind am Ziel, Herr Abgeordneter.«
»Und wo ist das?«
»Ich will verdammt sein, wenn ich das weiß. Es ist irgendeine Insel.«
Kendrick schloß die Augen, bedankte sich im stillen beim Schicksal oder sonst einer höheren Macht und konnte wieder atmen, ohne innerlich zu zittern. Der Held von Oman ist ein Feigling, dachte er. Aber er hatte einfach keine Lust zu sterben. Und von seiner Furcht abgesehen, war da noch Kalaila. Er hatte endlich die Liebe kennengelernt, die ihn sein Leben lang gemieden hatte, und jede Minute, die er länger leben durfte, war eine Minute der Hoffnung. »Nach Ihrer Miene zu schließen, glauben Sie selbst nicht, daß Sie das wirklich brauchen«, sagte er und zeigte auf die Waffe.
»Von Ihrem Standpunkt aus nicht«, antwortete der Mann vom Sicherheitsdienst und treuer Diener einiger hochrangiger Unterweltler. »Ich binde Sie jetzt los, aber wenn Sie irgendeine plötzliche und unmotivierte Bewegung machen, werden Sie keinen Fuß an Land setzen, capisce ?«
» Molto bene. «
»Nehmen Sie’s mir nicht übel, ich habe meine Anweisungen. Wenn Sie eine Dienstleistung anbieten, müssen Sie sich nach den Wünschen der Auftraggeber richten.«
Kendrick fühlte, wie sich die Stoffgurte an Armen und Beinen
lockerten. »Ist Ihnen nie der Gedanke gekommen, daß Sie, nachdem Sie die Anweisungen ausgeführt, sich nach den Wünschen gerichtet haben, San Diego vielleicht nie wiedersehen werden?« fragte er.
»Aber gewiß doch. Deshalb haben wir der Viper auch die Daumenschrauben angelegt. Fast literarisch das Bild, nicht wahr? Eine Viper in Daumenschrauben.«
»Keine Ahnung. Ich bin Bauingenieur, kein Dichter.«
»Und ich habe eine Waffe in der Hand, was beweist, daß auch ich kein Dichter bin. Also benehmen Sie sich, Herr Abgeordneter.«
»Ich vermute, Viper ist der Vizepräsident.«
»Ja, und er hat gesagt, daß er den Namen schon gehört hat und daß er eine Beleidigung sei. Können Sie sich das vorstellen? Diese Mistkerle sind moralisch verkommen genug, unsere Einheit abzuhören.«
»Ich bin entsetzt«, antwortete Kendrick, erhob sich schwerfällig aus dem Metallstuhl und schüttelte Arme und Beine, um seinen Kreislauf wieder zu normalisieren.
»Vorsicht!« rief der Mann vom Sicherheitsdienst zurückspringend und zielte auf Kendricks Kopf.
»Versuchen Sie mal, so lange wie ich auf dem verdammten Ding zu sitzen, dann können Sie nämlich auch nicht mehr gerade gehen.«
»Okay, okay. Wackeln Sie also im Zickzack zu der seitlichen Treppe dieses Luxusdampfers. Dort gehen Sie nämlich von Bord.«
Die Yacht fuhr in weitem Bogen in eine kleine Bucht ein und legte an einer etwa dreißig Meter langen Pier an, an der auf der anderen Seite noch drei kleinere, aber schnellere Boote lagen. Schwache, mit Maschendraht geschützte Lampen erhellten den Liegeplatz, und aus der Dunkelheit stürzten zwei Gestalten, postierten sich neben den Pollern und fingen die Bug- und Heckleine auf, die der Mafioso ihnen zuwarf. »Runter mit Ihnen!« schrie er Kendrick an.
»Ich möchte zuerst mich beim Kapitän für die sichere und angenehme Fahrt bedanken...«
»Sehr komisch«, sagte der Sicherheitsdienstler. »Aber sparen Sie sich das fürs Kino auf, und scheren Sie sich zum Teufel, Sie werden mit niemandem reden.«
»Wollen Sie wetten, Luigi?«
»Wollen Sie Ihre Eier vom Deck aufsammeln? Ich heiße nicht Luigi.«
»Wie
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