Der illustrierte Mann
Pater Peregrines Herz begann rascher zu schlagen.
»Sie sind runde, strahlende Lichtkugeln, Pater, und leben drüben in jenen Hügeln. Mensch oder Tier, wer kann das wissen? Jedenfalls handeln sie intelligent, wie ich gehört habe.« Der Bürgermeister zuckte mit den Schultern. »Aber natürlich sind sie keine Menschen, und ich glaube daher nicht, daß Sie sich um sie kümmern ...«
»Im Gegenteil«, unterbrach Pater Peregrine ihn rasch. »Intelligent, sagten Sie?«
»Man erzählt sich eine Geschichte. Ein Prospektor brach sich in jenen Hügeln dort ein Bein und wäre wohl auch dort gestorben. Die blauen Lichtkugeln schwebten auf ihn zu. Als er aufwachte, lag er auf einer Landstraße im Unterland und wußte nicht, wie er dorthin gekommen war.«
»Betrunken«, sagte Pater Stone.
»So sagt man«, bestätigte der Bürgermeister. »Da also die meisten Marsbewohner tot und nur diese blauen Lichterscheinungen vorhanden sind, Pater Peregrine, glaube ich offen gesagt, daß Sie in der Ersten Stadt besser am Platze sind. Der Mars wird erschlossen. Er ist ein neues Pionierland, wie auf der Erde vor langer Zeit der amerikanische Westen und Alaska. Menschen strömen herein. Hier in der Ersten Stadt haben wir ein paar tausend gottlose irische Mechaniker, Bergleute und Tagelöhner, die Ihre Hilfe dringender brauchen.«
Pater Peregrine starrte zu der sanftgeschwungenen, blauen Hügelkette hinüber.
Pater Stone räusperte sich. »Nun, Pater?«
Pater Peregrine hörte nicht. »Kugeln aus blauem Feuer?«
»Ja, Pater.«
»Ah«, seufzte Pater Peregrine.
»Blaue Ballons.« Pater Stone schüttelte den Kopf. »Ein Zirkus!«
Pater Peregrine fühlte seine Pulse schlagen. Er sah die kleine Pionierstadt mit der derben, frisch importierten Sünde, und er sah die alten Hügel mit der ältesten und vielleicht sogar (für ihn) neuesten Sünde.
»Bürgermeister, können Ihre gottlosen irischen Arbeiter noch einen Tag länger in der Hölle schmoren?«
»Ich werde ihnen notfalls an Ihrer Stelle ins Gewissen reden Pater.«
Pater Peregrine nickte zu der Hügelkette hinüber.
»Dann ist das unser erstes Ziel.«
Ein Murmeln ging durch die Reihen der Patres.
»Es wäre so einfach, in die Stadt zu gehen«, erklärte Pater Peregrine. »Aber ich glaube eher, daß der Herr, wenn er hier an unserer Stellte weilte und die Leute sagten: ›Hier ist der ausgetretene Pfad‹, antworten würde: ›Zeigt mir das Unkraut. Ich will einen Pfad bereiten‹.«
»Aber ...«
»Pater Stone, denken Sie daran, welche Bürde wir auf uns laden würden, wenn wir an Sündern vorbeigingen, ohne ihnen unsere Hände zu reichen.«
»Aber Feuerkugeln!«
»Ich stelle mir vor, daß der Mensch den Tieren komisch vorkam als er zum ersten Mal in Erscheinung trat. Und doch besitzt er eine Seele, trotz seines schlichten Aussehens. Bis wir das Gegenteil beweisen können, wollen wir daher annehmen, daß auch diese feurigen Kugeln Seelen besitzen.«
»In Ordnung«, stimmte der Bürgermeister zu, »doch Sie werden bald in die Stadt zurückkehren.«
»Wir werden sehen. Zunächst laßt uns frühstücken. Danach werden Sie, Pater Stone, und ich, allein in die Hügel gehen.«
Als die Nacht hereinbrach, befanden Pater Peregrine und Pater Stone sich hoch in den Hügeln. Sie blieben stehen und setzten sich auf einen Stein, um eine kurze Erholungspause zu genießen und abzuwarten. Die Marsbewohner hatten sich noch nicht gezeigt, und sie fühlten sich beide irgendwie enttäuscht.
»Ich möchte gern wissen ...« Pater Peregrine tupfte sich den Schweiß aus dem Gesicht. »Glauben Sie, wenn wir ›Hallo!‹ riefen, würden sie antworten?«
»Pater Peregrine, können Sie denn nicht ernst bleiben?«
»Erst, wenn auch unser gütiger Herrgott es sein wird. Oh, machen Sie bitte nicht so ein schockiertes Gesicht. Der Herr ist nicht ernst. Wirklich, es ist ein wenig schwer für uns zu verstehen, was Er außer Liebe noch alles ist. Und Liebe ist mit Humor verbunden, nicht wahr? Denn man kann niemanden lieben, wenn man ihn nicht so nimmt, wie er ist, nicht wahr? Und man kann sich nicht auf die Dauer mit jemandem vertragen, wenn man nicht auch über ihn lachen kann. Ist das nicht wahr? Und gewiß sind wir lächerliche kleine Wesen, die in ihren eigenen Aufschneidereien schwelgen, und Gott muß uns um so mehr lieben, weil wir Seinem Humor zusagen.«
»Ich habe Gott nie für spaßhaft veranlagt gehalten«, erwiderte Pater Stone.
»Den Schöpfer des Schnabeltiers, des Kamels, des
Weitere Kostenlose Bücher