Der illustrierte Mann
glaube nicht, daß die Sonnenkuppel in dieser Richtung liegt. Und wenn, dann hat sie wahrscheinlich Löcher im Dach wie die letzte. Ich glaube, ich werde einfach hier sitzenbleiben.«
»Stehen Sie sofort auf!«
»Auf Wiedersehen, Leutnant.«
»Sie dürfen jetzt nicht aufgeben.«
»Ich habe hier eine Pistole, die sagt Ihnen, daß ich hierbleibe. Mir ist so ziemlich alles egal. Ich bin noch nicht ganz verrückt, aber dicht davor. Ich möchte jedenfalls nicht so enden. Sobald Sie nicht mehr in Sicht sind, wird diese Pistole mir ihren letzten Dienst erweisen.«
»Simmons!«
»Sie haben meinen Namen genannt. Soviel kann ich noch von Ihren Lippen ablesen.«
»Simmons.«
»Sehen Sie, es ist doch nur noch eine Sache der Zeit. Entweder sterbe ich jetzt oder in ein paar Stunden. Warten Sie nur, bis Sie die nächste Sonnenkuppel erreicht haben und feststellen müssen, daß auch dort der Regen durchs Dach läuft – wenn Sie überhaupt hinkommen. Wär' das nicht großartig?«
Der Leutnant wartete noch einen Augenblick und patschte dann weiter durch den Regen. Einmal drehte er sich um und rief zurück, aber Simmons blieb mit der Pistole in der Hand sitzen. Er schüttelte den Kopf und winkte dem Leutnant, weiterzugehen.
Der Leutnant hörte nicht einmal mehr den Pistolenschuß.
Während er weiterwanderte, begann er die Blumen zu essen. Sie waren weder giftig, noch besaßen sie einen nennenswerten Nährwert, aber sie füllten wenigstens eine Weile den Magen. Ein paar Minuten später wurde ihm jedoch schlecht, und er spuckte alles wieder aus.
Einmal pflückte er ein paar Blätter ab und versuchte, sich daraus einen Hut zu machen, doch er hatte das schon früher versucht. Der Regen löste die Blätter auf seinem Kopf auf. Sobald man sie pflückte, verrotteten alle Pflanzen rasch und zerfielen zu einer grauen Masse.
›Noch fünf Minuten‹, sagte er sich. ›Noch fünf Minuten, und ich gehe ins Meer, immer weiter ins Meer. Wir sind hierfür nicht geschaffen; kein Erdenmensch wird jemals fähig sein, dies auszuhalten.‹
Er quälte sich mühsam durch ein Meer von Schlamm und Blattwerk und gelangte auf einen kleinen Hügel.
In der Ferne schimmerte ein matter gelber Fleck durch den kalten Regenvorhang.
Die nächste Sonnenkuppel.
Jetzt konnte er es durch die Bäume sehen: ein großes, rundes, gelbes Gebäude, weit weg. Einen Augenblick lang stand er schwankend da und starrte es an.
Er begann zu laufen, fiel aber bald wieder in Schritt, denn er hatte Angst. Er rief nicht. Wenn es nun dieselbe war, was dann? Die tote Sonnenkuppel, ohne die Sonne, was dann? dachte er.
Er rutschte aus und fiel. Bleib liegen, dachte er; es ist die verkehrte. Bleib liegen. Es hat keinen Sinn. Trinken, nur trinken.
Doch er brachte es fertig, sich noch einmal aufzuraffen; er überquerte mehrere Rinnsale, der gelbe Schein wurde sehr hell, und er begann wieder zu laufen.
Er stand vor dem gelben Tor. SONNENKUPPEL stand in großen Buchstaben darüber. Tastend streckte er seine gefühllose Hand danach aus. Dann drehte er den Türknopf und stolperte hinein.
Einen Augenblick lang blieb er stehen und sah sich um. Hinter ihm schlug der Regen einen Wirbel gegen die Tür. Vor ihm, auf einem niedrigen Tisch, stand ein silberner Topf mit heißer, dampfender Schokolade, daneben ein gefüllter Becher, in dem Marshmallows schwammen. Und daneben war ein Tablett mit Sandwiches angerichtet. Und über einer Stange, gerade vor seinen Augen, hing ein dickes, großes grünes Frottiertuch; darunter stand ein Eimer für die nassen Kleider, und rechts von ihm befand sich eine kleine Nische, in der intensive Wärmestrahlen einen sofort trockneten. Über einen Stuhl war eine frische Uniform gebreitet, die hier auf ihn oder jeden anderen wartete, der sich verlaufen hatte und sie nun brauchen konnte. Weiter hinten dampfte heißer Kaffee in Kupfergefäßen, ließ ein Plattenspieler leise Musik erklingen, standen in rotes und braunes Leder gebundene Bücher. Und neben dem Büchergestell: ein Feldbett, ein weich und tief gepolstertes Feldbett, auf dem man sich nackt ausstrecken konnte, um die Strahlen dieses großen, hellen, wärmenden Etwas, das den weiten Raum beherrschte, mit allen Poren zu trinken.
Er hielt sich die Hand über die Augen. Er sah, wie die anderen Männer auf ihn zukamen, sagte jedoch kein Wort. Er wartete, hielt die Augen weit offen und sah sich um. Das Wasser aus seiner Uniform bildete Pfützen zu seinen Füßen, und er fühlte, wie seine Haare, sein
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