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Der illustrierte Mann

Der illustrierte Mann

Titel: Der illustrierte Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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Die anderen Männer schrien auf und sprangen auseinander. Johnson zielte und feuerte noch zweimal.
    »Aufhören!« schrie Mark.
    New York schoß um sie herum aus dem Boden, die Höhle verschwand. Sonnenlicht funkelte auf hohen Türmen. Die Hochbahnen donnerten; die Schlepper im Hafen ließen ihre Sirenen erschallen; die grüne Lady mit der Fackel in der Hand blickte über die Bucht.
    »Schaut, ihr Narren!« sagte Mark. Ein Meer von Frühlingsblüten brach auf im Central Park. Der Wind warf den Duft frisch gemähten Rasens wie eine Woge über sie.
    Und mitten durch New York stolperten die verwirrten Männer. Johnson feuerte noch dreimal seine Pistole ab. Saul sprang vorwärts.
    Er prallte mit Johnson zusammen, riß ihn zu Boden und entwand ihm die Pistole. Ein letzter Schuß löste sich.
    Die Männer hörten auf umherzulaufen.
    Sie standen wie angewurzelt. Saul lag quer über Johnson.
    Ein unheimliches Schweigen legte sich über alle. Die Männer standen und starrten. New York versank im Meer. Zischend burbelnd, seufzend, mit dem Kreischen reißenden Metalls und dem Aufstöhnen vergangener Zeit, neigten sich die gewaltigen Gebäude, zerknitterten, zerflossen, fielen zusammen.
    Mark stand zwischen den Häusern. Plötzlich, wie die Gebäude sackte er wortlos zusammen, ein kleines rundes, rotes Loch in der Brust.
    Saul lag immer noch und starrte die Männer, dann den Leichnam an.
    Mit der Pistole in der Hand richtete er sich auf.
    Johnson regte sich nicht – hatte Angst, sich zu bewegen.
    Sie schlossen die Augen und öffneten sie wieder, als könnten sie, wie nach einem bösen Traum, den Mann am Boden wieder zum Leben erwecken.
    Es war kalt in der Höhle.
    Saul stand vollends auf und blickte geistesabwesend auf die Pistole in seiner Hand. Dann hob er den Arm und warf die Waffe weit hinaus ins Tal, ohne ihr nachzusehen.
    Sie blickten auf den Leichnam zu ihren Füßen, als trauten sie ihren Augen nicht. Saul kniete nieder und ergriff die schlappe Hand. »Leonard!« sagte er leise. »Leonard?« Er schüttelte die Hand. »Leonard!«
    Leonard Mark regte sich nicht. Seine Augen waren geschlossen, seine Brust hob und senkte sich nicht mehr.
    Saul stand auf. »Wir haben ihn getötet«, sagte er, ohne die anderen anzusehen. »Den einzigen, den wir nicht umbringen wollten, haben wir getötet.« Er legte sich seine zitternde Hand über die Augen. Die anderen Männer standen abwartend da.
    »Holt einen Spaten«, sagte Saul. »Beerdigt ihn.« Er drehte sich um. »Ich will nichts mehr mit euch zu tun haben.«
     
    Saul fühlte sich so schwach, daß er sich nicht bewegen konnte. Seine Füße waren wie am Erdboden festgewachsen, mit Wurzeln, die tief in Einsamkeit, Furcht und Kälte reichten. Das Feuer war fast erloschen, und nur noch das Licht der beiden Monde ritt auf den blauen Bergen.
    Er hörte, wie jemand den Boden mit einem Spaten aufwarf.
    »Wir brauchen ihn sowieso nicht dazu«, sagte einer viel zu laut.
    Das Geräusch des Grabens dauerte an. Saul entfernte sich langsam und ließ sich am Stamm eines dunklen Baumes herabgleiten, bis er den Boden erreichte. Wie betäubt saß er im Sand, die leeren Hände im Schoß ausgebreitet.
    Schlaf, dachte er. Wir werden alle schlafen gehen. Wenigstens den kann man uns nicht rauben. Schlafen und träumen, von New York und all dem andern.
    Er schloß erschöpft die Augen, während sich das Blut in seiner Nase, in seinem Mund und unter seinen zitternden Augenlidern sammelte.
    »Wie hat er das nur gemacht?« fragte er mit müder Stimme. Sein Kopf fiel auf die Brust. »Wie hat er New York hier heraufgebracht und uns darin umhergehen lassen? Versuch es. Es kann nicht zu schwer sein. Denke! Denk an New York«, flüsterte er, während er umsank und der Schlaf ihn langsam einzuhüllen begann. »New York mit dem Central Park, Illinois im Frühling, Apfelblüten und grünes Gras ...«
    Es gelang nicht. Es war nicht dasselbe. New York war verschwunden, und nichts, was er versuchte, konnte es zurückbringen.

Zementmixer
     
     
    Er lauschte auf die Stimmen der alten Hexen, die wie trockenes Gras unter seinem offenen Fenster raschelten.
    »Ettil, der Feigling! Ettil, der Weichling! Ettil, der sich weigert in den glorreichen Krieg des Mars gegen die Erde zu ziehen!«
    »Sprecht weiter, Hexen!« rief er.
    »Ettil, der Vater eines Sohnes, der im Schatten dieses abscheulichen Wissens aufwachsen muß!« flüsterten die alten, vertrockneten Weiber. Sie stießen sacht die Köpfe mit den verschlagenen Augen

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