Der illustrierte Mann
aneinander. »Schande, Schande!«
Am anderen Ende des Zimmers weinte seine Frau. Zahlreich und kühl wie Regentropfen fielen ihre Tränen auf die Fliesen. »Oh, Ettil, wie kannst du nur so denken?«
Ettil legte sein metallenes Buch beiseite, das ihm auf seinen Wink den ganzen Vormittag lang eine Geschichte aus dem mit dünnen Golddrähten durchsponnenen Rahmen vorgesungen hatte.
»Ich habe versucht, es dir zu erklären«, sagte er. »Es ist die reinste Torheit, daß wir vom Mars eine Invasion der Erde versuchen wollen. Wir werden restlos vernichtet werden.«
Draußen ein Lärmen und Tosen, Metallgerassel, Trompeten und Trommeln, Marschtritte und Geschrei, Lieder und Fahnengeknatter. Die Armee stampfte über die gepflasterten Straßen die Gewehre geschultert. Kinder rannten hinterher. Alte Weiber schwangen schmutzige Wimpel.
»Ich werde auf dem Mars bleiben und ein Buch lesen«, sagte Ettil.
Jemand klopfte hart gegen die Tür. Tylla öffnete. Ihr Vater stürmte herein. »Was höre ich da über meinen Schwiegersohn? Ein Verräter?«
»Ja, Vater.«
»Du willst nicht in der Marsarmee kämpfen?«
»Nein, Vater.«
»Ihr Götter!« Der alte Vater lief dunkelrot an. »Verflucht sei dein Name! Man wird dich erschießen.«
»Erschieß mich gleich, und die Sache ist abgetan.«
»Wer hat je von einem Marsmenschen gehört, der nicht auf Invasionsfahrt gegangen ist? Wer!«
»Niemand. Ich gebe zu, daß mein Fall völlig unglaublich ist.«
»Vater, kannst du ihm nicht Vernunft beibringen?« bat Tylla.
»Einem Feigling Vernunft beibringen!« schrie ihr Vater mit zornfunkelnden Augen. Er trat näher und blickte auf Ettil herab. »Militärkapellen spielen, ein herrlicher Tag, Mütter weinen, Kinder hüpfen, tapfer marschierende Männer, alles ist in Ordnung, und du sitzt hier! Oh, diese Schande!«
»Schande«, schluchzten ferne Stimmen in den Hecken.
»Geh zum Teufel mit deinem kindischen Geschwätz und mach, daß du aus meinem Haus kommst!« explodierte Ettil. »Nimm deine Orden und Trommeln und lauf mit!«
Er schob den Schwiegervater an seiner heulenden Frau vorbei, als im gleichen Augenblick die Tür weit aufgerissen wurde und eine uniformierte Wachabteilung hereinmarschierte.
Eine Stimme rief laut: »Ettil Vrye!«
»Ja!«
»Du bist verhaftet!«
»Leb wohl, mein teures Weib. Ich muß mit diesen Narren in den Krieg ziehen!« schrie Ettil, während die Männer in bronzenen Kettenhemden ihn durch die Tür zerrten.
Die Zelle war hübsch und sauber. Ohne ein Buch war Ettil nervös. Er umklammerte die Gitterstäbe und beobachtete, wie die Feuerwerksraketen in den Nachthimmel schossen. Unzählige kalte Sterne blinkten; sie schienen auseinanderzuweichen, wenn eine Rakete nach der anderen zwischen ihnen zerplatzte.
»Narren«, flüsterte Ettil. »Narren!«
Die Zellentür öffnete sich. Ein Mann schob ein fahrbares Gestell herein das ganz mit Büchern gefüllt war; Bücher hier, dort, überall – sie quollen förmlich aus den Borden des Gestelles. Dahinter wurde drohend die Gestalt des Militärbefehlshabers sichtbar.
»Ettil Vrye, wir verlangen Aufklärung, warum du diese illegalen Bücher von der Erde in deinem Hause gehabt hast. Diese vielen Exemplare Wonder Stories, Scientific Tales, Fantastic Stories. Erkläre!« Der Mann ergriff Ettils Handgelenk.
Ettil schüttelte sich frei. »Wenn ihr mich erschießen wollt, laßt euch nicht abhalten. Diese Literatur von der Erde ist der eigentliche Grund, warum ich mich nicht an der Invasion beteiligen will. Es ist der Grund, warum eure Invasion fehlschlagen muß.«
»Wieso?« Der Befehlshaber machte ein finsteres Gesicht und wandte sich den vergilbten Magazinen zu.
»Nimm irgendein Exemplar«, sagte Ettil, »irgendein beliebiges. Neun von zehn Erdgeschichten aus den Jahren 1929, 1930 bis 1950, Erdzeitrechnung, lassen jede Marsinvasion erfolgreich die Erde bezwingen.«
»Ah!« Der Befehlshaber nickte lächelnd.
»Und dann«, sagte Ettil, »– fehlgeschlagen.«
»Nenne es Verrat! Solche Schriften zu besitzen!«
»Nenne es, wie du willst. Aber erlaube mir, daraus ein paar Schlußfolgerungen zu ziehen. Jede Invasion wird unweigerlich von einem jungen Mann vereitelt; gewöhnlich ist es ein Ire von drahtiger Gestalt, namens Mick oder Rick oder Jick oder Bannon, der ganz auf sich allein gestellt, die Marsmenschen vernichtet.«
»Das glaubst du doch selbst nicht!«
»Nein, ich glaube nicht, daß die Erdmenschen das wirklich bewerkstelligen können – nein. Aber sie
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