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Der illustrierte Mann

Der illustrierte Mann

Titel: Der illustrierte Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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den böse dreinblickenden Männern und rieb seine von den Fesseln befreiten Handgelenke. Er hatte ein mahagonigetäfeltes Konferenzzimmer mit einem Marmortisch geschaffen, an dem sie alle aßen – lächerlich bärtige, übelriechende schwitzende und habgierige Männer, die Augen auf ihren Schatz geheftet.
    »Wenn wir den Streit schlichten wollen«, sagte Mark schließlich, »ist es am besten, daß wir für jeden von euch zu einer bestimmten Stunde an einem bestimmten Tag eine Verabredung mit mir festlegen. Ich werde euch alle gleich behandeln. Ich werde Gemeindeeigentum sein, aber völlige Bewegungsfreiheit genießen. Das ist für beide Teile fair. Was Saul angeht, so muß er sich erst bewähren. Wenn er bewiesen hat, daß er sich wieder zivilisiert benehmen kann, werde ich ihm auch ein oder zwei Behandlungen gewähren. Inzwischen aber will ich nichts mit ihm zu tun haben.«
    Die anderen Verbannten grinsten zu Saul hinüber.
    »Es tut mir leid«, sagte Saul. »Ich wußte nicht, was ich tat. Jetzt bin ich wieder in Ordnung.«
    »Wir werden sehen«, erwiderte Mark. »Sagen wir, in einem Monat, nicht wahr?«
    Die anderen Männer grinsten Saul an.
    Saul sagte nichts. Er saß da und starrte auf den Boden der Höhle.
    »Laßt sehen«, begann Mark. »Am Montag bist du dran, Smith. Eine Stunde ungefähr.«
    Smith nickte.
    »Am Dienstag werde ich Peter für ungefähr eine Stunde empfangen.«
    Peter nickte.
    »Und am Mittwoch jeder Woche werde ich die restlichen drei hier, Johnson, Holtzmann und Jim, abfertigen.«
    Die drei letzten Männer sahen einander an.
    »Die restlichen Wochentage gehören mir ganz allein, hört ihr?« sagte Mark ihnen. »Ein bißchen ist besser als gar nichts. Wenn ihr nicht gehorcht, werde ich überhaupt keine Vorstellungen geben.«
    »Vielleicht werden wir dich dazu zwingen «, meinte Johnson. Er sah die anderen Männer an. »Seht, wir sind fünf gegen diesen einen. Wir können ihn zwingen, alles zu tun, was wir wollen. Wenn wir zusammenarbeiten, haben wir den Vogel in der Falle.«
    »Seid keine Idioten«, warnte Mark die anderen Männer.
    »Laßt mich reden«, fuhr Johnson dazwischen. »Er erzählt uns , was er tun will. Warum sagen wir's nicht ihm! Sind wir starker als er oder nicht? Und er will uns drohen, keine Vorstellungen zu geben! Mal sehen, was er sagt, wenn ich ihm ein paar Holzsplitter unter seine Zehennägel treibe oder seine Fingerspitzen ein wenig mit einer Feile bearbeite. Ich möchte wissen, warum wir nicht an jedem Abend in der Woche unsere Vorstellung haben sollen?«
    »Hört nicht auf ihn!« sagte Mark. »Er ist verrückt. Ihr könnt ihm nicht trauen. Wißt ihr, was er tun wird? Er wird euch alle in Sicherheit wiegen und euch dann, einen nach dem anderen, umbringen. Ja, alle wird er euch töten, damit er zum Schluß ganz allein ist – allein mit mir! Das ist sein Ziel.«
    Die lauschenden Männer blinzelten Mark, dann Johnson an.
    »In dieser Sache«, bemerkte Mark, »kann keiner von euch dem anderen trauen. Unsere ganze Beratung ist sinnlos. Im gleichen Augenblick, in dem ihr ihm den Rücken kehrt, wird einer der anderen euch ermorden. Bevor noch diese Woche zu Ende ist, werdet ihr alle tot sein oder im Sterben liegen!«
    Ein kalter Wind blies in das Mahagonizimmer. Die Wände begannen sich aufzulösen, und die Höhle trat wieder hervor. Mark war seines Scherzes überdrüssig geworden. Die marmorne Tafel fiel in sich zusammen und verschwand.
    Mit funkelnden Augen, wie verängstigte Tiere, musterten die Männer einander argwöhnisch. Was sie gehört hatten, entsprach der Wahrheit. Sie sahen einander, wie sie sich in den kommenden Tagen gegenseitig beschlichen und töteten – bis nur ein Glücklicher übrig blieb, der diesen geistigen Schatz, der da in ihrer Mitte saß, ausbeuten konnte.
    »Und was die Lage noch schlimmer macht«, sagte Mark endlich, »einer von euch hat eine Pistole. Alle anderen besitzen nur Messer. Aber einer von euch, das weiß ich, hat eine Pistole.«
    Alle sprangen auf. »Sucht!« rief Mark. »Findet den Mann mit der Pistole, oder ihr seid alle verloren!«
    Das genügte. Die Männer sprangen wild durcheinander, ohne zu wissen, wen sie zuerst durchsuchen sollten. Sie rangen miteinander, stießen sinnlose Verwünschungen aus, und Mark beobachtete sie voller Verachtung.
    Johnson trat zurück und griff in seine Jacke. »Na schön«, sagte er. »Wir können die Sache auch sofort erledigen! Das ist für dich, Smith!«
    Er schoß Smith durch die Brust. Smith fiel.

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