Der illustrierte Mann
Mitte. Es hieße zu viel verlangen, daß sie da nicht neugierig sein und unserer Spur folgen sollten.«
»Dann werde ich eben mit dir weiterziehen.«
»Und sie folgen uns weiter.«
»Halt den Mund!«
Mark lächelte. »Ist das die Art, mit deiner Frau zu sprechen?«
»Du hast mich verstanden!«
»Oh, eine herrliche Ehe ist das – deine Habgier und meine geistigen Fähigkeiten. Was möchtest du denn jetzt sehen? Soll ich dir noch ein paar von deinen Kindheitsbildern zeigen?«
Saul fühlte, wie ihm der Schweiß auf die Stirne trat. Er wußte nicht, ob der Mann sich über ihn lustig machte oder nicht. »Ja«, sagte er.
»Na gut«, sagte Mark. »Paß auf!«
Flammen brachen aus den Felsen. Schwefeldämpfe drückten ihm den Atem ab. Schlünde mit glühender Lava öffneten sich, Explosionen erschütterten die Höhle. Mühsam aufstehend, taumelte Saul keuchend umher, brannte, schmorte in der Hölle!
Die Hölle versank. Die Höhle kehrte zurück.
Mark lachte.
Saul stellte sich vor ihn hin. »Du!« sagte Saul kalt und beugte sich über ihn.
»Was erwartest du denn anderes?« schrie Mark. »Fortgeschleppt und zusammengeschnürt, zur geistigen Braut eines vor Einsamkeit wahnsinnigen Mannes gemacht – glaubst du, daß mir das Spaß macht?«
»Wenn du mir versprichst, nicht fortzulaufen, binde ich dich los.«
»Das kann ich dir nicht versprechen. Ich bin ein freier Mensch. Ich gehöre niemandem.«
Saul kniete sich vor ihm hin. »Aber du mußt jemandem gehören, hörst du? Du mußt! Ich kann dich nicht fortgehen lassen!«
»Je mehr du redest, mein Lieber, um so weiter entfernst du dich von mir. Wenn du deinen Verstand benützt und dich wie ein vernünftiger Mensch benommen hättest, wären wir Freunde geblieben. Es hätte mir Freude gemacht, dir diese kleinen hypnotischen Wünsche zu erfüllen. Aber du hast alles verdorben. Du wolltest mich ganz allein besitzen. Du hattest Angst, daß die anderen mich dir fortnehmen würden. Oh, wie sehr du dich doch irrst! Ich besitze genügend Macht, euch alle glücklich zu machen. Ich wäre mir ganz wie ein Gott unter Kindern vorgekommen, der freundlich seine Gunst verteilt.«
»Es tut mir leid, es tut mir leid«, rief Saul. »Aber ich kenne diese Männer zu gut.«
»Bist du denn anders? Kaum! Geh hinaus und sieh nach, ob sie kommen. Mir war, als hörte ich ein Geräusch.«
Saul rannte. Im Eingang der Höhle legte er die Hände hinter die Ohren und starrte in den schwarzen Schlund der Nacht.
»Ich sehe nichts.« Er trat in die leere Höhle zurück.
Er starrte auf den Platz am Feuer. »Mark!«
Mark war verschwunden.
Er sah nur die leere Höhle, in der Felsblöcke, Steine und Kiesel verstreut lagen, das einsam flackernde Feuer. Der Wind seufzte. Und Saul stand hilflos, ungläubig und wie betäubt dazwischen.
»Mark! Mark! Komm zurück!«
Der Mann hatte seine Bande gelockert, langsam, vorsichtig; und mit Hilfe der List, er höre die anderen kommen, hatte er Saul fortgeschickt und war verschwunden – wohin?
Die Höhle war tief, endete aber in einer geschlossenen Wand. Und Mark konnte unmöglich an ihm vorbeigeschlüpft und in die Nacht entkommen sein. Was war geschehen?
Saul ging um das Feuer herum. Er zog sein Messer und trat auf einen großen Felsblock zu, der gegen die Höhlenwand gelehnt stand. Lächelnd preßte er die Messerspitze gegen den Stein. Lächelnd klopfte er ihn mit dem Messer ab. Dann zog er das Messer zurück und holte zum Stoß aus.
»Halt!« schrie Mark.
Der Felsblock verschwand, Mark saß da.
Saul ließ das Messer fallen. Der Schein der Flammen spielte auf seinen Wangen. Wahnsinnige Wut stand in seinen Augen.
»Es hat nicht geklappt«, flüsterte er. Er bückte sich, legte seine Hände um Marks Kehle und schloß langsam die Finger. Mark sagte nichts; er wand sich nur unbehaglich unter dem Griff, während gleichzeitig seine Augen ironisch blitzten und Saul Dinge erzählten, die dieser nur zu gut wußte.
Wo werden deine Träume sein, wenn du mich tötest, sagten die Augen. Töte mich, töte Plato, töte Aristoteles, töte Einstein; ja, tote uns alle! Los, erwürge mich! Wage es!
Schatten drängten sich durch den Eingang der Höhle.
Die beiden Männer drehten ihre Köpfe.
Die anderen waren da. Fünf Männer, erschöpft vom Marsch, standen abwartend am Rande des Feuerscheins.
»Guten Abend«, rief Mark lachend. »Tretet nur ein, meine Herren, tretet ein!«
Als der Morgen dämmerte, dauerten Zank und Streit immer noch an. Mark saß zwischen
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