Der im Dunkeln wacht - Roman
sie?«
»Dass sie ein Bild erhalten habe. Ein Foto. Dieses Mal war nichts dazugeschrieben.«
»Sagte sie, was auf dem Foto zu sehen war?«
»Ja … wir. Es zeigte uns. Am Samstag zuvor. Jemand hatte offensichtlich durch ihr Wohnzimmerfenster hindurch eine Aufnahme gemacht. Sie wohnt im Erdgeschoss.«
» Waren ihre Schwester und ihr Schwager ebenfalls auf dem
Foto abgebildet?«, fragte Irene, obwohl sie die Antwort bereits kannte.
»Nein. Nur sie und ich. Sie sagte, wir hätten auf dem Sofa gesessen. «
»Wie hat sie diese Sache aufgefasst?«
»Das müssen Sie sie schon selbst fragen.«
Zum ersten Mal klang er etwas irritiert, aber das konnte auch einfach Nervosität sein.
»Und wie haben Sie reagiert?«, fragte Irene.
» Wie ich reagiert habe? … Ich fand es seltsam. Im Scherz meinte ich, das sei sicher derselbe Typ, der ihr auch die Blume an die Türklinke gehängt habe. Aber da wurde sie richtig sauer. Sie fand die ganze Sache wohl ziemlich unheimlich.«
»Sie waren also am Donnerstagabend beim Fußballtraining und konnten nicht nach Göteborg fahren und sie treffen?«, warf Fredrik ein.
»Genau. Die Jungs sind diese Woche bei mir. Montag ist Wechsel. Ich hole sie vom Hort ab, und dann bleiben sie die ganze Woche bis zum folgenden Montag bei mir. Aber ich will nicht, dass die Jungs Ingela jetzt schon treffen. Sowohl wegen der Kinder als auch wegen Ingela. Sie hat keine eigenen Kinder, und die Jungs müssen sich auch erst einmal an den Gedanken gewöhnen. Obwohl ihre Mutter schon vor unserer Trennung einen neuen Mann hatte, finde ich, dass man Rücksicht auf die Gefühle der Kinder nehmen muss. Später …«
»Arbeiten Sie Vollzeit?«, unterbrach Irene seinen Vortrag.
»Ja, sogar mehr. In den Wochen, in denen die Jungs bei ihrer Mutter sind, arbeite ich fast rund um die Uhr. Da wird es abends sehr spät. Aber wenn sie bei mir sind, höre ich immer pünktlich um halb vier auf, hole sie vom Hort ab und koche. Montag und Donnerstag haben sie Fußballtraining. Ich trainiere die Mannschaft, in der der Jüngere spielt.«
»Wo sind Ihre Söhne jetzt?«, fragte Irene.
»Bei ihrer Großmutter, also bei meiner Mutter. Wir essen heute dort zu Abend, ich habe meine Mutter gebeten, sie vor Ihrem Besuch hier abzuholen. Ich fand es beunruhigend, dass die Polizei mit mir reden will. Jetzt ist mir klar, dass es um Ingela geht. Bitte … was ist passiert?«
Sie sagten es ihm. Seine Reaktion war wohl kaum gespielt. Irene war sich sicher, dass sein Alibi ihrer Überprüfung standhalten werde.
Leif Karlberg hatte Ingela Svensson nicht ermordet.
Es war dunkel, als Irene auf ihre Einfahrt einbog. Ihr wurde warm ums Herz, als sie Kristers alten Volvo dort stehen sah. Es war kurz vor acht, und die Aussichten waren gut, dass das Essen schon auf dem Tisch stand. Beim Gedanken an eine warme Mahlzeit wurde sie munter, gleichzeitig merkte sie, wie hungrig sie war. Irene öffnete die Haustür, atmete tief ein und versuchte zu erraten, was ihr Mann Leckeres gekocht hatte.
Nichts.
Sicherheitshalber schnupperte sie noch ein paarmal, aber es roch nur nach etwas Staub und nach dem Schluck Kaffee, der am Morgen in der Kaffeemaschine vergessen worden war. Die Lampe über dem Küchentisch brannte, aber die Küche war leer. Gedeckt war auch nicht. Aus dem Obergeschoss schallte das Fernsehwetter, die Vorhersage für morgen. Irene hängte ihre Jacke auf und ging die Treppe hinauf.
Krister saß schnarchend auf einem der Sessel. Neben ihm auf dem Tisch stand eine geöffnete Dose Bier. Das war alles. Weder ein leerer Teller noch Krümel von einem Butterbrot. Er hatte das Bier einfach direkt aus der Dose getrunken.
Irene trat auf ihn zu und küsste ihn vorsichtig auf die Stirn. Er zuckte zusammen und sah sie schlaftrunken an.
»Krister, mein Lieber, bist du krank?«, fragte Irene und lächelte aufmunternd.
»Krank? Nein. Nur verdammt müde«, antwortete er.
Nach seiner Stimme zu urteilen schlief er fast schon wieder ein.
»Willst du was essen?«, fragte Irene versuchsweise.
»Nein. Nur schlafen.«
Er seufzte und erhob sich langsam von dem Sessel.
Irene wurde nervös. War das wieder das Burn-out-Syndrom? Vor einigen Jahren war er deswegen längere Zeit krank geschrieben gewesen. Seit dieser schlimmen Zeit war er vorsichtiger geworden und arbeitete weniger. Das schien ihm gutzutun, aber jetzt sah er vollkommen erschöpft aus. Als hätte er ihre Gedanken gelesen, sagte er:
»Keine Angst, das ist nicht wieder diese alte Sache.
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