Der im Dunkeln wacht - Roman
sie Glück gehabt. Sie hatten den Platz recht früh ausgemacht.
»Ich denke auch, dass es hier passiert ist. Da sie erst gegen sechs Feierabend hatte, kann sie kaum vor sieben Uhr hier gewesen sein«, dachte Irene laut nach.
Vorsichtig ging sie um den Altglascontainer herum. Plötzlich fiel ihr Blick auf etwas Funkelndes neben dem Zaun. Sie trat näher heran und sah, dass es sich um einen Schlüsselbund handelte. Auf dem emaillierten Anhänger standen die Initialen »I.S.«. Ohne ihn zu berühren, machte Irene Fredrik darauf aufmerksam.
»Jetzt haben wir wirklich mit größter Wahrscheinlich den Ort des Geschehens!«, rief er.
»Er muss einen Wagen gehabt haben, um die Leiche von hier
wegzuschaffen. Wohin er sie auch gebracht haben mag. Aber es wird kein Problem gewesen sein, das Auto bis hierher heranzufahren«, setzte Irene ihre Überlegungen fort.
»Auf Reifenspuren würde ich allerdings nicht hoffen«, meinte Fredrik.
Er hatte recht, da der gesamte Parkplatz asphaltiert war. Aber für Spuren blieben die Büsche, in denen der Eimer versteckt worden war, und das Areal um den Altglascontainer, wo der Überfall stattgefunden hatte.
Irene betrat Ingelas Wohnung noch einmal allein. Fredrik hatte in der Zwischenzeit ein Auge auf den Eimer und den Tatort, bis die Kriminaltechniker eintrafen. Er wollte vermeiden, dass dort Leute herumliefen, bevor nicht alle Spuren gesichert waren.
Sie streifte sich OP-Mütze, Schuhschutz und Plastikhandschuhe wieder über. Obwohl der Mörder Ingela bei der Recyclingstation angegriffen hatte, konnte es in der Wohnung weitere Spuren geben. Eine wichtige Feststellung war, dass etwas fehlte: die weiße Chrysantheme. Wahrscheinlich hatte Ingela diese zusammen mit der Karte mit den unbegreiflichen Zahlen und Buchstaben weggeworfen. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als die Mülltonnen in der Durchfahrt noch genauer zu durchsuchen. Hoffentlich waren auch diese Mülltonnen seit Dienstag nicht mehr geleert worden.
Ingela Svensson hatte Ordnung gehalten. In Schränken und Schubladen lag alles an seinem Platz, nichts war irgendwie auffällig. In der Speisekammer standen vier Boxweinkartons, drei weiße und ein roter. Eine Flasche Kognak Marke Grönstedt und einige Flaschen Rotwein mittlerer Preislage gab es auch. Daran war nichts weiter auffällig, sah man einmal davon ab, dass der Weinvorrat für eine alleinstehende Frau relativ groß war.
Irene hatte die Hoffnung, etwas von Interesse zu finden, schon fast aufgegeben, als ihr aufffiel, dass es noch einen Mülleimer
gab, den sie sich nicht angesehen hatte. Auf dem Badezimmerfußboden stand ein kleiner Treteimer mit einem Deckel aus kupferfarbenem Metall. Irene hob den Deckel an und schaute hinein. Ein paar Pads mit Make-up-Resten, eine ausgedrückte Zahnpastatube und eine leere Toilettenpapierrolle. An der Innenseite des Deckels pappte ein Foto. Sie löste es vorsichtig ab und betrachtete es.
Ingela lächelte und prostete dem Mann zu, der neben ihr auf dem Sofa saß. Die Kerzen spiegelten sich in ihren Augen, und sie wirkte sehr glücklich. Der Mann war ihr zugewandt und saß mit dem Rücken zur Kamera. Er trug ein helles Jackett. Darunter war ein heller Hemdkragen zu erkennen. Sein Haar war bereits leicht gelichtet.
Das Foto war offensichtlich durch Ingelas Wohnzimmerfenster aufgenommen worden. Der Fotograf musste auf der Såggatan gestanden haben. Das Datum in der unteren rechten Ecke verriet, dass das Foto an dem Samstagabend vor jenem Wochenende aufgenommen worden war, an dem der Dackel den in Folie verpackten Leichnam auf dem Westfriedhof gefunden hatte. Und da Ingela zu diesem Zeitpunkt bereits seit fast zwei Tagen tot war, bedeutete es, dass das Foto fünf Tage vor Ingelas Ermordung aufgenommen worden war.
Gegen vier Uhr nachmittags erreichten sie Leif Karlberg. Er erklärte, mit seinem jüngeren Sohn ein Fußballspiel besucht zu haben. Er wirkte, als wisse er nichts von Ingela Svenssons Schicksal. Vielleicht war er aber auch nur ein sehr guter Schauspieler.
»Wir würden uns gerne mit Ihnen unterhalten«, sagte Irene.
»Ach? Und worüber?«
Das Erstaunen in seiner Stimme klang ganz echt. Irene beschloss, es ihm nicht am Telefon zu sagen.
»Haben Sie die Möglichkeit, heute nach Göteborg ins Präsidium zu kommen?«, fragte sie.
»Nein, ich habe die Jungen diese Woche. Leider kann ich nicht weg.«
Irene dachte schnell nach. Es war genauso gut, es hinter sich zu bringen. Je schneller, desto besser.
»Dann
Weitere Kostenlose Bücher