Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
Vom Netzwerk:
die Bolschewiki an den entlegensten Orten schließlich Dorfsowjets eingerichtet hatten, brach der Spaß jedesmal zusammen, wenn die Sendboten der Revolutionsregierung wieder weg waren.
     
    Die Lehre daraus muß natürlich (!) lauten, daß Technik per se , auch solche der Verwaltung, eben wirklich keine Hardware ist, auch keine »irgendwie soziale«, die man mit Programmen wie »Republikanismus« oder »Sozialismus« bespielen kann, sondern selbst ein Programm, nämlich ein Operating System (das Bild ist, wie Bilder immer, nicht in allen Einzelheiten sachadäquat; hält man es sich bei der Auseinandersetzung mit dem technowissenschaftlichen Nexus in der entwickelten kapitalistischen Gesellschaft gegenwärtig, wird man aber zumindest nicht in die vielen Kategorienfehler-Fallen tapsen, die auf dem analytischen Weg aufgestellt sind, der aus der übertriebenen Ernstnahme von Wortschöpfungen wie Veblens »Technokratie« ins Dickicht habitueller Verwechslung von Ursachen und Wirkungen führt).
     
    Mechanistische Lösungen etwa der Landreformfrage, die von einfallsarmen Sozialisten gern nach der Devise »Je egalitärer die Zuteilung, desto besser« angegangen werden, vergessen, was Marx und Engels schon klar war, als sie im Zirkular gegen Kriege einem Bauernbeglücker, der aus Deutschland nach Amerika ausgewandert war und dort für eine Zuteilung von Land an einfach jeden eintrat, ernüchternd vorrechneten, daß bei dessen Maß von »jeweils 160 Acres« die ganze Menschheit auf dem damaligen Stand der Bodenbewirtschaftung 8,75 Millionen Bauern mit Familien zu je fünf Köpfen würde umfassen müssen und der versprochene Ewigkeitsbesitz selbst bei angesetzter bloß gleichbleibender Bevölkerungszunahme und vorausgesetzt, daß der Erdball nicht aus bislang unbekannten Gründen plötzlich wächst wie ein Kürbis, in weniger als zwei Generationen bis zur letzten Ackerfurche besetzt sein würde 85 . Die beiden waren gewiß keine Malthusianer, aber eben vernünftig genug zu begreifen, daß Produktionsfragen auf Verteilungsfragen irreduzibel sind. Sozialismus ist nicht. Jeder kriegt 1.000 Euro und zum Geburtstag einen Maredo-Grillteller mit Rösti – wer das dennoch glaubt, beerbt die utopischen Sozialisten, also Leute wie Fourier und Saint-Simon, die sich zu denen, welche die Verwechslung von Produktions- und Verteilungsfragen überwunden haben, verhalten wie die Alchimisten zu den Chemikern.
     
    Das Kapital leidet an solchen Fehlschlüssen nicht, es läßt zwar (wenn auch zunehmend müder) immer noch behaupten, es ginge im Kapitalismus um das dem Grillteller-Prinzip entgegengesetzte Prinzip des gerechten Tausches auch beim Arbeitseinsatz – »Leistung muß sich wieder lohnen« –, verhält sich aber anders, nämlich so, daß dem Rechnung getragen wird, worum es im Kapitalismus tatsächlich geht. Dafür ist gerade die jüngere Geschichte der Agrarwirtschaft ein instruktives Beispiel: Grüne Revolution (parastaatlich aus dem Gesamtmehrprodukt des allmählich zum Weltkapitalismus zusammenschießenden internationalen Handelsgeschehens etwa über »Entwicklungshilfe« ins Werk gesetzt) und das darauf angesetzte, die biotechnische Zweit- und Drittindustrialisierung bereits industrialisierte Wirtschaften, immer neue Maschinen, Bewässerungsoptimierungen, Hybridsaat, neue Dünger, effektivere Pestizide (breit getestet in den USA ausgerechnet während der Depressionszeit; die verschiedenen Räder des Fortschritts laufen verschieden schnell): Mit alledem wird der Gegensatz Stadt–Land planmäßig eingeebnet, insofern nicht nur die Landarbeit der Stadtarbeit die Lebensmittel liefert, sondern die Stadtarbeit der Landarbeit die Produktionsmittel bis hin zu den abstrakten, intellektuellen, informationellen (übers Patentrecht). Damit verliert der Landbesitz einerseits an Geltung, weil der Weg zurück zur Macht übers Soziale als Titel auf Gebiete von den neuen Interdependenzen versperrt wird, andererseits aber wird der Besitz an vormals wertlosem Land, in vertrackter Dialektik, aufgewertet – als Insektizide aufkamen, die den Anbau von Baumwolle im zuvor dafür wegen seiner Schädlinge nicht geeigneten zentralamerikanischen Raum profitabel machten, vertrieben Grundherren arme Bauern vom vorher anders als mit Baumwolle bepflanzten oder als Weide genutzten Land. Häufig dienen arme Gegenden als Testgelände für Verfahren, die, wenn erprobt und bestätigt, in reichen die Verwertungsketten straffen – wenn Monsanto Kenia eine

Weitere Kostenlose Bücher