Der Implex
besser in Merkform gießen, als Rosa Luxemburg das in ihrem theoretischen Hauptwerk »Die Akkumulation des Kapitals« getan hat, implizit dem Marxschen Gedanken treu, der wirkliche Reichtum der Menschen könne nur ein Reichtum menschlicher Beziehungen, keine Warenmenge sein, und der Marxschen Zielsetzung, dieser Reichtum ließe sich vergrößern auf Wegen, auf denen bislang eher bewußtlos andere Arten von Reichtum geschaffen worden sind:
»Je höher die Produktivität der menschlichen Arbeit, um so kürzer die Zeit, in der sie ein gegebenes Quantum Produktionsmittel in fertige Produkte verwandelt. Das ist ein allgemeines Gesetz der menschlichen Arbeit, das ebensogut unter allen vorkapitalistischen Produktionsformen Geltung hatte, wie es in der Zukunft in der sozialistischen Gesellschaftsordnung gelten wird. Ausgedrückt in der sachlichen Gebrauchsgestalt des gesellschaftlichen Gesamtprodukts, muß sich dieses Gesetz äußern in einer immer größeren Verwendung der gesellschaftlichen Arbeitszeit auf Herstellung von Produktionsmitteln im Vergleich zur Herstellung von Konsummitteln.« 82
Hier haben wir zweifellos das weiter oben versprochene Beispiel für einen Lehrsatz, der als materialistische Bestimmung der Möglichkeitsbedingungen für Fortschritt zutrifft, als historische Anamnese aber nur sehr bedingt – die Phasen, in denen sich die soziale Gewichtung von der Konsummittelproduktion hin zur Produktionsmittelproduktion merklich verschob, waren vor dem Kapitalismus nicht eben häufig, Weltreiche (wir erinnern an Rom und China) kamen fast ohne diese Umschichtung, und mitunter recht lange, über die Runden. Luxemburg sagt, etwas, das es immer gebe, sei so, wie sie es bestimmt; die Wahrheit ist: Etwas, das es manchmal und naturwüchsig gegeben hat und das der Sozialismus für sein Programm in den Dienst nehmen sollte, ist tatsächlich genau so, wie sie es bestimmt.
Adornos »Vernunft, wie sie sich historisch darstellt«, ist aber nicht nur das, was im entwickelten Kapitalismus draus wurde – eine spezifisch profitorientierte Lehre der »richtigen« Relation von Produktivität, Konsum und erweiterter Reproduktion –, sondern je und je besonders immer wieder eine Verhältniserkenntnisweise im Blick auf die Relationen von Sachverhalten, also ratio im das Zwecklose den Zwecken erschließenden Sinn einer Beziehung von truth and truthmakers (David Armstrong) aufeinander. Ihr geschichtsinvariantes, der Geschichte ihr Eigenmaß, ihre Eigenzeit überhaupt erst erlaubendes logisches Rückgrat ist die von der Aufklärung erstmals öffentlich konstruierte Autonomie menschengeschaffener Zustände gegenüber außersozialen, nicht zweckhaften Ordnungen. Die Aufklärung braucht zur Rechtfertigung der Verwissenschaftlichung der Erzeugung, zur Formulierung des Programms der Abschaffung von Not und Hunger den Naturbegriff, wie sie für die Erfindung der Menschenrechte den Naturrechtsbegriff braucht.
VI.
Zweck schlägt Menschennatur (Menschennatur schlägt nicht zurück)
Von der Renaissance bis zum Taylorismus, Fordismus und der informationstechnischen Umwälzung der globalisierten Produktion ist die Tauschwertbestimmung im Kapitalverhältnis Korrelat nicht abreißender Verwissenschaftlichung von Erzeugung, Distribution, Gesamtprozeß der erweiterten kapitalistischen Reproduktion, und Technik die Art und Weise, wie das Kapital in diesem Verhältnis Gebrauchswert setzt – und zerstört; die häufigste, bekannteste, aber ganz und gar nicht einzige Form dieser Gebrauchswertvernichtung ist der sogenannte Raubbau an der Natur, von der Regenwaldabholzung bis Fukushima.
Jeder Stoffwechsel mit der Natur ist in Keynes’ berühmtem long run ein Tausch unterm Energieerhaltungssatz, der daraus ein Nullsummenspiel macht und vom Ende der Geschichte her gesehen Profit eigentlich verbietet – daß er lokal vorkommt, ist sub specie nicht der Ewigkeit, aber der Gesamtlogik der Geschichte, die man die idealistische Gestalt dessen nennen kann, was bei uns »sozialer Fortschritt« heißen soll, eine Illusion, so diaphan wie das Wort »Produktion« (Hervorbringung als Explizitmachen des ohnehin Vorhandenen). Die Gleichung gleicht sich aus, und aus dieser Sicht auf die Totalität wird dann in den Beschreibungen des Kapitalismus, die er als wissenschaftlich (nämlich nationalökonomisch, später volks- und betriebswirtschaftlich) richtige prämiert, eine Art transhistorische Universalie gewonnen, die »der gerechte Tausch« heißen und dem
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