Der Implex
abschneidet – man begibt sich aus dem Sellarsschen Raum des Begründens und Folgerns mit jeder derartigen Diskursgeste nämlich in den unmarked space einer reinen Erfahrung von Ursachen und Wirkungen (statt eben Gründen und Schlüssen), über die man nicht sprechen kann, weil man ihn schon wieder in Richtung Begründung und Folgerung verlassen würde, wollte man damit beginnen.
Kohärenz und Korrespondenz sind, anders als der hier ganz im Banne Kants stehende Rorty meint, keine Erfahrungsformen der Wahrheit, sondern bloß Bilder, die den Rand dessen markieren, was man überhaupt sagen kann – die starke, nicht abzuschüttelnde Intuition, daß an diesen Bildern irgend etwas nicht »stimmt«, die wie von allem skeptischen Denken so auch von Rortys eliminatorischem Zweifel am Wahrheitsbegriff ausgenutzt wird, um sie gegen die Legitimität beliebiger Erkenntnisweisen zu kehren, rührt einfach daher, daß alle Bilder, mit denen man beschreiben kann, was gemeint ist, wenn gesagt wird, etwas stimme oder stimme nicht, diese Eigenschaften selbst notwendig suspendieren müssen, um dasjenige zu fassen zu kriegen, was sich von ihnen unterscheiden muß, damit sie es bezeichnen können (ein Ding, ein Gedanke, eine Empfindung, die mit den Worten der neueren Informatik computationally irreducible ist und also sich selbst bezeichnen, kappen jeden semantischen Zugriff auf sich).
Die einzige Alternative zu dieser Selbstauslöschung des Wunsches, zu wissen, wovon man redet, ist daher, die von Rorty und seinesgleichen mit den illiberalen Kritikerinnen an jeder liberalen Öffentlichkeit geteilte Opposition zwischen einerseits »Gewißheit/Glaube/Entscheidung« und andererseits »Kontingenz/Zweifel/Beliebigkeit« zurückzuweisen. Die Wahl ist falsch, weil das, was die Gewißheit ersetzen muß, wenn die Meinungsfreiheit einen Sinn haben soll, nicht die absolute Ungewißheit ist, sondern der verbesserbare Befund, die revidierbare Aussage, das Maß der Wahrscheinlichkeit, die argumentative Plausibilität – lauter Sachen, die weniger imposant sind als das alte »Alles oder nichts«, aber dafür produktiver. Die »absolute Wahrheit«, oder in Rortys parlance: das letztgültige Vokabular (denn Tatbestände gibt es nach dem von diesem philosophieskeptischen Philosophen ausgerufenen linguistic turn ohnehin keine mehr), müßte eigentlich für jemanden, der sich einen Pragmatisten nennt, gar kein Thema sein, geschweige ein Feindbild, an dem es sich abzuarbeiten gälte, denn mit praktisch Relevantem hatten solche Schöpfungen ohnehin nie etwas zu tun – nicht vergessen sei allerdings, daß es auch im zwanzigsten Jahrhundert immer wieder Intellektuelle, sogar kritische und vernünftige, gegeben hat (und vermutlich noch im einundzwanzigsten, ja darüber hinaus welche gibt und geben wird), die hinter den Nominalismus, den Rorty übers von der analytischen Philosophie Freigelegte hinaus weiterzuentwickeln sucht, weit genug zurückgefallen sind, sich von irgendwelchen Vokabularen oder Satzkonstrukten Widerstand gegen die Indienstnahme durch Unwahrheit und Unrecht zu erhoffen, als könnte nicht selbst die wahrste Äußerung, entsprechend kontextualisiert, den übelsten Zwecken dienstbar gemacht werden – wenn zum Beispiel die Feststellung »Wenn Schwarze in diese Gegend ziehen, fallen die Grundstückspreise« rassistische Implikaturen vollzieht und damit diejenige Ideologie verstärkt, deren Wirkweise im Immobiliengeschäft sie lediglich zu beschreiben vorgibt.
Daß also jemand, der Rortys Lehren zur Kenntnis genommen hat, keine Irrtümer mehr von der Art begehen wird, wie er etwa Walter Benjamin unterlief, als er im Aufsatz übers Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit behauptete, es gebe etwa von ihm zu findende Begriffe für die Kunsttheorie, die qua Herkunft und Theoriedesign »für die Zwecke des Faschismus vollkommen unbrauchbar sind«, kann man nur (allerdings schweren Herzens) begrüßen. Solche Begriffe gibt es nicht, letztgültige Vokabulare und ewige Wahrheiten, denen man ansieht, daß sie welche sind, oder die man auf eine Weise überprüfen kann, daß ihre Ewigkeit an ihnen sichtbar wird, aus logisch notwendigen Gründen auch nicht.
Gerade Rorty aber braucht diese ganzen Nichtvorhandenheiten als Zielscheiben, damit sein eigener liberalironischer Entwurf nach der Bauernregel »Das Bessere ist der Feind des Guten« in hinreichend prägnantem Relief erscheint. Wie bei aller neueren Vernunftkritik wird
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