Der Implex
dauernd auf irgendwas, das darin wichtiger ist als alle strukturell signifikant verfugten Teile seiner Erscheinungsweise).
Wenn die ontologische Art des Denkens Geltung für die verbindliche soziale Welt beansprucht, in der man lebt, zeitigt es bekanntlich genau jene Autoritarismen, die Adorno an Heidegger aufspießt. Ihnen entgeht Ontologie nur, wenn sie zugibt (und zunächst mal überhaupt weiß), daß sie aus Effektgründen eine ist, daß sie funktional, teleologisch funktioniert, daß sie der Ort innerhalb eines Behauptungsgeflechts ist, an dem das Erkenntnis- oder Darstellungsinteresse kodifiziert werden kann.
Die Wahrheit des »Diese Welt, in der meine Geschichte spielt, ist so, wie sie ist« ist nur um der Effekte willen wahr.
Das heißt, der Herr ist auch hier der Knecht des Knechts: Die Wahrheit der Unwirklichkeit ist ihre Mutter, aber auch ihre Dienerin.
Nicht Heidegger, sondern der christliche Phantast Clive Staples Lewis stellt seinem Märchen Out of the Silent Planet , das den schönen Sonderfall einer als Erzählung getarnten Polemik gegen einen anderen Erzähler – nämlich H.G. Wells – enthält, quasi entschuldigend die Vorbemerkung voran: »Certain slighting references to earlier stories of this type which will be found in the following pages have been put there for purely dramatic purposes.« 140
Leibnizens Frage, Springquell aller Ontologie bis heute, warum überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts sei, ist in der unwirklichen Kunst also beantwortet: for dramatic purposes .
XI.
More geometrico: Genres in Fantastika
Daß eine ontologisch verfahrende Sorte Kunst auf Moral nicht verzichten mag, macht sie gewiß nicht schlechter. Daß Stephen Kings Werke durchgängig liberale, optimistisch-amerikanische, humanistisch-christliche Erbauungsliteratur sind, hat an vergleichsweise entlegener Stelle einmal kein Unerwarteterer als Jan Philip Reemtsma bemerkt.
Moral heißt auch in Buffys Welt: den Widerspruch zwischen der mythologischen Ontologie, dem vampiresken Kosmos, den alten Prophezeiungen auf der einen Seite und dem Bedürfnis, ein eigenes Leben, eine eigene Geschichte auf der anderen Seite zu haben, nicht einfach nur irgendwie auszuhalten, sondern ihn anständig auszuhalten: frei, aufrichtig, verantwortlich und freundschaftlich.
»There’s no ancient prophecy about a chosen one and her friends«, sagt Buffy gegen Ende der vierten Staffel bitter, als der Freundeskreis unterm Gewicht der toten und wiederauferstandenen Geschlechter auseinanderzubrechen droht. Daß er das dann doch nicht tut, daß man zusammenhält, ist »something heroic«: Buffy geht nicht in den vorbürgerlichen (und, wenn das pessimistische Geschichtsbild stimmt, das diese Betrachtungen grundiert: soeben beginnenden nachbürgerlichen) Erwähltheitszuständen und Gewaltverhältnissen auf, die ihre Welt ausmachen.
Alles um sie her, man könnte sagen: der Zusammenbruch der bürgerlichen Welt und sein Einsinken ins mythisch Unmittelbare, in die Titanomachien unerkennbarer »postmoderner« Götter des sterbenden Akkumulationsregimes der Neuzeit, ragt alt, böse und mythisch, noch im Fallen. Buffy spielt nicht einfach mit dabei, wie die brave, nach dem Slayer-Handbuch arbeitende Slayerin Kendra, die trotz allen Gehorsams (in Wahrheit genau seinetwegen) sterben muß, nämlich von der Vampirin Drusilla getötet wird.
Umgekehrt aber verweigert Buffy sich dem um sie regierenden Mythos auch nicht einfach: Die Ontologie ihrer Welt, die ja wahr ist, einfach autistisch zu verkennen, also wider besseres Wissen zu leben, wäre für sie schlimmer als die in Normal Again gezeigte Katatonie.
Was also tut Buffy, worin ist sie Vorbild, wenn sie weder einfach Zuflucht zu Auftrag und Ritual nimmt noch leugnet, daß es in ihrer Welt Vampire gibt? Was lehrt sie, wofür gibt sie ein Beispiel, indem sie auf einem modernen Leben mitten in der katastrophischen falschen Selbstaufhebung der Moderne besteht? Zuallererst, simpel und lebensrettend, für Sturheit.
Sie beharrt darauf, das Nichtautomatische, Nichterwartete, Negentropische herzustellen: die Liebe unter Freunden, die verstehen, »wie das ist«, in dieser Welt leben zu müssen.
Willow sagt, daß sie das versteht, in Goodbye Iowa : »Poor Buffy. Your life resists all things average.« Und Buffy läßt sich, weil sie solche Freunde hat, nicht unterkriegen.
Ihr Witz überlebt seine Gegenstände immer wieder, auf heroische Weise – in der Folge Amends hält das »Erste Böse«, körperlos
Weitere Kostenlose Bücher