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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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Fantasy-Kurzgeschichte ist aus diesem Grund, anders als die parallele Science-fiction-Kurzform, eher ein Kuriosum und berührt, wenn sie nicht sowieso schon eine Novelle ist und also doch wieder epische Formate aufspannt, meist auffällig viele Topoi der SF. Die spezifische Sorte »Wissenschaft«, die dem Bereich der Fantasykurzgeschichte angemessen ist, heißt dann eben Magie, anstelle etwa der Galilei-Newtonschen Hypothesenbildung. Rätsel werden gelöst, Bannflüche gebrochen etc.: verkleidete Technofiktion).
     
    Die Fahrten und Abenteuer der High Fantasy müssen auf dem Weg zum Höheren und der Heilung durchlebt werden. Man liest also Pilgerfahrten-Reiseliteratur oder schaut sich deren Verfilmung oder Comic-Fassung an: Vorn ins Buch ist eine Karte gedruckt (selbst der Filmvorspann bildet sie manchmal ab, sonst wird sie später aufgerollt), auf der wir Mittelerde samt Auenland, Rohan und Mordor, Conans hyborisches Zeitalter, Terry Pratchetts Scheibenwelt oder sonst ein präzises Nirgends sehen können, zur Zeit des »Es war einmal«.
    Auf Topik dieser Art, Dantesche Zirkel von Himmel und Hölle, also das mit bürgerlichen Mitteln geordnete vorbürgerlich-feudale Seelenleben dunkel vermuteter primordialer Weltordnungen und »Ländereien«, verläßt sich das Genre noch da, wo es davon mit kunsthandwerklich-aftermodernen Hintergedanken absieht: Endes Unendliche Geschichte darf zwar keine Karte haben, aber die Ortsnamen, die es darin dann doch gibt, sind nichtsdestotrotz Fixpunkte im Ununterschiedlichen, eben weil sonst der Fortschritt der Helden auf dem »Weg«, den sie beschreiten müssen, nicht meßbar wäre, um den allein es geht.
    Damit die jeweilige Reise überhaupt in Gang kommt, brauchen wir eine Bedrohung, ein Rätsel, eine Prophezeiung, einen Fluch, zu beschaffende oder zu transportierende magische Artefakte (z.B. Ringe, Schlüssel, ein Buch, Amulette) und am allerwichtigsten eine entsprechende retrospektiv konstruierte vormoderne Moral, vorzugsweise archaisierend-christlich, kryptochristlich oder gezwungen naturreligiös: Der Bürger stellt sich vor, wie es war, als es ihn noch nicht gab.
    Der Vater aller Fantasy ist Rousseau, aber als Theaterseele.
     
    Am Ende des jeweiligen Pilgrim’s Progress wird dann etwas gefunden, zurückerobert, vernichtet oder befreit: Der Vorgang ist identisch mit Erlösung und Verklärung, das herrschende Finalmotiv die Heilung und die Hagiogenesis (einer Person, eines Landes).
    Entwicklungsromane (oder -filme) sind das also, aber archaisierende. Es geht in ihnen darum, die eigentlich dämliche Maxime »Der Weg ist das Ziel« triftig aussehen zu lassen, ihr einen guten Namen zu geben. Genau in diesem Sinn übrigens ist das wagnerianische Hippie-Gesamtkunstwerk Star Wars nicht Science-fiction, sondern Fantasy – allerdings als Science-fiction verkleidet, aus schlauen Konkurrenzgründen, etwa so, wie Michel Foucault seinen »epistemischen« Geschichtsidealismus materialistisch drapiert (George Lucas und Michel Foucault: die beiden intelligentesten Idioten des zwanzigsten Jahrhunderts – sie spüren, was an der Zeit ist, um es dann erst recht nicht zu verstehen).
     
    2. Science-fiction ist ästhetisch und ideologisch die natürliche (gemäß unserem Naturbegriff! – man kann es durch Definitionen und Deutungen nicht ändern), erbitterte Rivalin der Fantasy. Pack schlägt sich, Pack ergänzt sich: Während die Märchen-Macher die Welt wiederverzaubern, geht es den Wissenschafts-Fiktionalisierern um die Verweltlichung auch noch der letzten Residuen des Zaubers, notfalls mittels transzendentem Hokuspokus, in Gleichungen eingewickelt: Die spirituellen, lebensläuternden Höhepunkte der Werke von Olaf Stapledon, Greg Egan oder Arthur C. Clarke brauchen sich vor keinem Jakob Böhme zu verstecken.
    Die SF ist ein legitimes Kind des bürgerlichen Fortschritts , das heißt: der oben auf ihre praktische Grundlage gestellten Vergesellschaftungs- und Abstraktions-Dynamik der Moderne. Sie hat in jedem ihrer Momente Anteil an der Ambivalenz der Dickensschen Fabrik-»Feenpaläste« aus Hard Times . Auch ihre Erzählmodi sind denen der Fantasy entgegengesetzt: Es geht ihr gerade nicht um den »Weg«, als den sich die externalisierte Küchenpsychologie der Fantasy die bürgerliche Individuation vorstellt, sondern um das Ziel: das Heraustreten des Menschen aus der Natur. SF stellt sich dieses Ziel als ein bereits erreichtes vor und verfällt dann in ihr patentiertes Staunen über die

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