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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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Ja doch, wir leben im Industriezeitalter. Auch die »Kulturindustrie«-These von Horkheimer und Adorno hat diesen Umstand, verwöhnten Gaumens, nicht recht schmackhaft gefunden, aber davon ändert sich daran nichts (die Produktivkräfte sind halt so weit, wie sie sind; der Schuster hat ausgedient, die Fabrik liefert den Schuh, und er könnte sogar haltbar sein, wenn ihn die Aktiengesellschaft nicht absichtlich schrabbelig machen ließe, um bald wieder neue verkaufen zu können).
    Mit anderen Worten: Der Affekt, Popkunst von »richtiger« Kunst sondern zu wollen, ist – durchaus ehrenwert – einer gegen die Anerkennung des Standes der Produktivkräfte. Man will nicht zugeben, daß massenhaft und schnell für Massen und den Augenblick produziert werden kann und längst wird, sonst müßte man auch zugeben, daß Markt und Privateigentum an Produktionsmitteln dem besagten Stand der Produktivkräfte, die längst vergesellschaftet sind und nicht mehr privat, anachronistisch aufsitzen.
     
    Die Exklusivität der Kunst wird verteidigt; die des Besitzes läßt sich gern mitmeinen, in der richtigen Ahnung, daß jenseits dieser beiden Exklusivitäten nur die Barbarei oder etwas sehr nebelhaft Besseres kommen können, und der noch richtigeren, daß die Barbarei einstweilen die besseren Karten hat. Wäre man der Meinung, daß das Bessere so nebelhaft nicht sein müßte, dann dürfte man schließen: Die beiden Argumente sind gegen dieses Bessere gerichtet, gegen den Gedanken, daß die Gesellschaft nicht nur aus ideellen, sondern aus bereits vorhandenen materiellen Gründen heraus sehr wohl verbesserbar ist – als solche sind sie stimmig und respektabel, schon weil sie intelligenter sind als der ganze real existierende Sozialismus, der die westliche Popkultur, die doch dem objektiven Stand der Vorbedingung jeden Sozialismus, bereits vergesellschafteter Produktion auf die Not eliminierendem Stand, korrespondierte, als »dekadent« verbellte. Wenigstens diese verkniffenen Möchtegernkleinbürger sind wir los.
    Wiederholungen auf höherer Stufe im genannten Sinn sind mit einem bloß strukturalen Wiederholungsbegriff, wie das die deleuzianischen Filmanalysen unserer Tage immer wieder tun, deshalb gar nicht zu erfassen: Sie sind dynamisch, sie machen etwas nicht nur neu, sondern besser, was sie aus dem alten Wahren des Genres holen.
    Wie schaffen sie das, wie nutzt man die Ressourcen, wie geht das methodisch?
     
    Die älteren Muster werden zwar vorausgesetzt, auch beim Publikum, aber nicht (wie beim Plagiat) als abzupausende Vorlage oder (wie beim formelhaften »Hackwork«) als verläßliches Fahrgestell für ein oberflächlich neues Chassis, sondern als gültige Tiefenordnung der Welt, aus der man herausholt, was herauszuholen ist.
    Was sich in der dann abspielt, ist ein Ereignis: Es schreibt diese Tiefenordnung nicht einfach aus, sondern zeigt, was passiert, wenn sie gilt und Leute trotzdem versuchen, ihre Freiheitsgrade zu finden und zu nutzen: Wieviel Freiheit hat ein Frankensteinmonster, kein Frankensteinmonster zu sein, wieviel Überraschung verträgt das zum Zerreißen gespannte Klischee? Die Wahrheit, die Struktur der Genre-Überlieferung, wird so als ein Agencement von Naturgesetzen und einer ihnen gehorchenden Naturgeschichte behandelt, als etwas, das man nur bei Strafe des Untergangs ignorieren darf.
    Anders gesagt – und so allein sind wir überhaupt darauf gekommen, hier von Wahrheit statt nur von einer Struktur zu sprechen –, das Bekannte, auf das man sich bezieht, gilt dem wirklich verantwortungsvollen, dem guten Künstler dieser Sphäre eben nicht nur als vorhanden, sondern als richtig, als wahr: daß der Künstler es nicht verletzen darf, gibt er dadurch zu, daß er zeigt, daß seine Figuren sie nicht ungestraft oder kostenlos verletzen dürfen (und es doch versuchen müssen, damit das sichtbar wird).
     
    Wie ernst große Phantasten diese Lage nehmen müssen, wie wenig sie sich einfach räuberisch und Elemente verschiebend beim Fundus bedienen dürfen, mag eine kleine Geschichte verdeutlichen.
    Als Harlan Ellison einmal für eine große Filmfirma Drehbücher entwickeln sollte, wurde er am ersten Arbeitstag ins Büro des Produzenten bestellt, der ihm einen Riesenstapel alter SF-Heftchen zeigte und sagte: »Suchen Sie sich was aus, adaptieren Sie es, Sie haben das Talent und den Stil.«
    Ellison wehrte wütend ab: »Das kann ich nicht machen.«
    Der Produzent seufzte: »Das sieht doch eh alles gleich aus, wer

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