Der Implex
Rückkehr in eine Situation, mit der er vertraut war wie wenige andere Revolutionäre: den Bürgerkrieg. 195
Debatten über Zweck-Mittel-Relationen finden zwischen Rechts und Links meist nur als Scheingefechte statt (man wirft, um Unentschlossene zu gewinnen, der Gegenseite die Mittel vor, lehnt aber eigentlich die Zwecke ab); das bedeutet auch, daß Kriegsbefürwortung nicht gleich Kriegsbefürwortung ist – nicht einmal innerlinks oder innerrechts, nicht einmal funktional, etwa ökonomisch –, wenn ich zum Beispiel Kriege will, mit denen sich Märkte abschaffen oder abriegeln lassen, will ich andere Kriege als jemand, der Märkte zu erobern oder zu schaffen vorhat. Die linke Kriegsbefürwortung war, seit es eine Linke gab, meist ein Eintreten für Revolutionskriege (»Revolutionsexport«, wie die nicht unelegant ans Ökonomische angeschlossene Verurteilung von rechts dieses Ansinnen nennt). Nach dem Zusammenbruch der Dritten Internationale jedoch verschwand gebietsweise und situationsabhängig der Unterschied zwischen dem Ziel, ein reaktionäres Regime zu stürzen, und der probürgerlichen, ja proimperialistischen Stellungnahme – nicht nur, das ist der grimmige Witz daran, aus ideologischen, sondern auch aus sachlichen Gründen; es lag also keine Wiederholung von 1914 vor, wo die vaterländische Ideologie die revolutionäre überlagerte und erstickte. In den USA, also auf dem Gebiet der »letzten Weltmacht« (so sah man das, bevor der Westen China und Indien zum zweiten Mal entdeckte, diesmal nicht als bloße Kolonialobjekte, sondern als emerging powers, und Rußland sich einen neuen Ort im Weltsystem erstritten hatte; die europäische und amerikanische Linke hat dazu bislang nicht viel zu sagen, sie bleibt einstweilen noch mit ihrer Rekonstitution und Rekonstruktion beschäftigt, von ebenso rühmlichen wie problematischen Ausnahmen in der Art der Arbeiten von Giovanni Arrighi abgesehen), wurde dieses Phänomen ahnbar beim Irakfeldzug des älteren, greifbar bei dem des jüngeren Bush – proamerikanische, sich aber der Linken zurechnende Individuen wie Paul Berman oder Christopher Hitchens ließen sich » liberal hawks « nennen – der Name war einst das Feldzeichen antikommunistischer US-Linker gewesen; die neue Bedeutung sollte jede nicht konservative Parteinahme gegen den politischen Islam abdecken – und brachten ein Koordinatensystem in Unordnung, das in den USA seit Vietnam nicht mehr in Frage gestellt wurde. Die zwischen den beiden Irakkriegen der Amerikaner stattgehabte Zerstörung Jugoslawiens, die in Deutschland, dem ehemaligen Territorium zweier Frontstaaten, nicht nur vereinzelten Köpfen aus der Welt der Belletristik und Feuilletonistik, sondern der echten Politik Sorgen machte, hatte den einst als Radikalpazifisten angetretenen Grünen den Weg zum linken Falkentum geebnet. Hier wie anderswann und anderswo waren es unter den Redenden und Schreibenden interessanterweise nicht unbedingt die durch Dogmenglaube, Anbindung an festumrissene politische Milieus, geschweige Organisationen sich Auszeichnenden, sondern eher prinzipiell individualistisch-nonkonformistisch auftretende Menschen wie Peter Handke oder Hermann L. Gremliza, die sich der neuen Marschrichtung verweigerten, als hätte es der Weltgeist darauf angelegt, die These Hannah Arendts zu bestätigen – entwickelt etwa in ihrem Aufsatz über die persönliche Verantwortung unter der Diktatur – wonach es nicht die Grundsätze sind, was Kriegs- und anderen politischen Zerstörungsmaschinen entgegensteht, sondern der moralische Stolz einzelner, die dann eben auch imstande sind, auf die Unentscheidbarkeiten, mit denen Jan Phillip Reemtsma seinen Abschied von der Linken illustriert hat, die Antwort zu geben, daß es außer der Parteilichkeit für Teilnehmende eines Konflikts auch noch die Parteilichkeit für eine von deren Interessen unberührte dritte Sache gibt, womit noch nicht einmal präjudiziert ist, ob es sich bei dieser Sache um eine ideelle oder eine materielle handelt.
Denn nicht nur ist, wie wir immer wieder betont haben, eine Idee, deren Trägerinnen und Träger geschlagen sind, damit nicht widerlegt, sondern auch eine naturwüchsige, nicht ideenvermittelte Praxis oder Tatsache, etwa irgendein staatlicher oder nichtstaatlicher sozialer Zusammenhang, läßt sich nicht als verkehrt, überlebt, abschaffungswürdig erweisen, indem man ihn zerschlägt. Zu diesem Schluß und der für seine Verteidigung nötigen Unabhängigkeit vom
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